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Schönes Leben – Ausgabe 73

Land, Kultur und Lebensart zwischen Elbestrand und Heidesand

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fachgemäßen Bindung kreuzen sich die sogenannten Kett- und Schussfäden<br />

rechtwinklig, woraus ein fortschreitendes Gewebe entsteht. Die<br />

Kette wird vom Kettenbaum freigegeben und das Gewebte auf den<br />

Gewebe-Baum aufgewickelt. Webschäfte heben und senken die Kettfäden<br />

in zwei Ebenen und binden bei jedem Wechsel den Schussfaden<br />

ein, der sich, auf eine Spule gewickelt, in einem Schiffchen befindet.<br />

Damals wie heute waren weltweit Menschen auf gewebte Kleidung<br />

angewiesen. Auch in Deutschland fanden sich bis Anfang des 20. Jahrhunderts<br />

noch in vielen Bauernstuben Spinnräder und Webstühle, denn<br />

die Stoffe für den häuslichen Bedarf wurden selbst produziert und zur<br />

Aufbesserung des Einkommens ärmerer Bauern als lukrative Nebeneinkunft<br />

auch verkauft. Seit etwa 250 Jahren wurden die häufig aus<br />

geschnitztem Eichenholz gebauten Rollenaufzugswebstühle mit maximal<br />

zwei bis vier Schäften genutzt, die wenig Gestaltungsmöglichkeiten<br />

im Gegensatz zu heutigen Modellen boten, weshalb die Bauern nur<br />

begrenzt Muster weben konnten. Damals bewunderte Johann Wolfgang<br />

von Goethe (1749 <strong>–</strong> 1832) die Kunst in einem Gedicht: „So schauet mit<br />

bescheidnem Blick, der ewigen Weberin Meisterstück. Wie ein Tritt<br />

tausend Fäden regt, die Schifflein hinüber herüber schießen. Die Fäden<br />

sich begegnend fließen, ein Schlag tausend Verbindungen schlägt …“<br />

Mit der Industrialisierung in Europa im 19. Jahrhundert trat eine<br />

einschneidende Trendwende ein und das alte Handwerk geriet in eine<br />

massive Krise. Durch die günstiger verkauften industriell gefertigten<br />

Textilien trat bei den hausgewebten Stoffen ein starker Preisverfall ein.<br />

Ein Grund, weshalb sich an vielen Orten Protest regte und in Schlesien<br />

1844 unter den ausgebeuteten Webern Revolten ausbrachen. Diese<br />

wurden blutig niedergeschlagen und gingen als „Weberaufstände“ in die<br />

Geschichte ein. Die Missstände prangerte zu der Zeit der deutsche Dich-<br />

Bild oben: Monika Sürie webt prachtvolle Kunststücke.<br />

Bild Mitte: Das Garn muss vor dem Weben auf Schiffchen gespult<br />

werden.<br />

Acht Kontermarsch-Webstühle klappern in der Lüner Weberei um die<br />

Wette.<br />

Bild unten: Die Handweberei auf Bauernwebstühlen hat in der Lüneburger<br />

Heide eine lange Tradition. Zwei Weberinnen um 1900.<br />

Sommer 2021 23

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