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Schönes Leben – Ausgabe 73

Land, Kultur und Lebensart zwischen Elbestrand und Heidesand

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abgebaut sein müssen. Stattdessen wächst Terra Preta munter weiter,<br />

ähnlich wie in unseren Breiten die Torfmoore. Wie kann das sein nach<br />

Hunderten, ja, sogar Tausenden von Jahren? „Die fast beispiellose<br />

Fruchtbarkeit von Terra Preta do Indio ist ein wissenschaftliches Phänomen<br />

und hängt auch damit zusammen, dass diese Böden einen sehr<br />

hohen Anteil organischer Substanz aufweisen. Heute wissen wir, dass<br />

die indigene Bevölkerung am Amazonas Terra Preta aus ihren Siedlungsabfällen<br />

mittels anaerober Fermentation herstellten“, sagt Joachim<br />

Böttcher.<br />

Überall, wo im Regenwald Terra Preta gefunden wird, finden sich auch<br />

große Mengen von Tonscherben. Diese stammen von großen, zum Teil<br />

heute noch erhaltenen, oft reich mit Ornamenten verzierten Tongefäßen.<br />

Schätzungen von Archäologen ergaben die gewaltige Anzahl von<br />

8.000 bis 12.000 Gefäßen pro Hektar. „Somit lag es auf der Hand,<br />

dass diese Gefäße mit der Herstellung der Terra Preta im Zusammenhang<br />

standen“, sagt Joachim Böttcher. Er beschreibt die historische<br />

Terra Preta-Herstellung wie folgt: „Zunächst wurden die Gefäß-Rohlinge<br />

durch die Verschwelung von holzartiger Biomasse im Inneren des<br />

Gefäßes gebrannt. Dieser Prozess wurde vorwiegend unter Luftabschluss<br />

durchgeführt, wozu die Gefäße mit Deckeln verschlossen waren.<br />

Die fertige Holzkohle wurde teilweise für Kochzwecke entnommen,<br />

während das krümelige Material im Gefäß verblieb. Nun wurden organische<br />

Siedlungsabfälle eingefüllt, wie beispielsweise Essens- und<br />

Ernte reste, Fischgräten, Geflügelknochen aber auch menschliche Fäkalien.<br />

Es wurde stets darauf geachtet, dass der Behälter wieder luftdicht<br />

verschlossen wurde, um Gerüche zu vermeiden und Insekten fernzuhalten.“<br />

Nach Angaben des Terra Preta-Pioniers ist die anaerobe Stabilisierung<br />

der organischen Inhaltsstoffe beim Herstellungsprozess enorm wichtig,<br />

denn bei zu viel Luftzufuhr wäre es unter den subtropischen Bedingungen<br />

im Regenwald sehr schnell zu einem aeroben biologischen Abbau<br />

der organischen Substanz gekommen. Für die indigene Bevölkerung<br />

aber sei jedes Gramm organischer Substanz zur Fruchtbarmachung<br />

ihrer Böden wertvoll gewesen, da die normalen Regenwaldböden extrem<br />

unfruchtbar sind. Nach der vollständigen Befüllung eines Gefäßes<br />

mit Holzkohle und organischen Siedlungsabfällen hätten die Indios das<br />

Gemisch unter Luftabschluss einige Wochen stehen gelassen. „Dabei<br />

entsteht ein anaerober Fermentationsprozess, wodurch der pH-Wert<br />

zwischenzeitlich auf bis 4 absinken kann. In diesem sauren Milieu<br />

werden Krankheitserreger wirksam eliminiert. Nach der vollständigen<br />

Fermentierung der Holzkohle-Biomasse-Mischung wurde wahrscheinlich<br />

der obere Teil des Behälters zerschlagen, sodass eine Art Hochbeet<br />

entstand, in dem die Kulturpflanzen in der fruchtbaren Schwarzerde<br />

gedeihen konnten“, erklärt Joachim Böttcher.<br />

Die indigene Bevölkerung nutzte<br />

jedes Gramm organischer Substanz<br />

zur Fruchtbarmachung der Böden.<br />

Der 58-jährige Pfälzer gehörte zu einer Expertengruppe aus Deutschland,<br />

der 2005 erstmals die Reproduktion dieser Erde gelang. Das<br />

Expertenteam stellte aus Holzkohle, heute meist als „Pflanzen- oder<br />

Biokohle“ bezeichnet, und anderen organischen Materialien unter<br />

Anwendung eines anaeroben Fermentationsverfahrens erstmalig Substrate<br />

her, welche sowohl vom Aussehen als auch von den Eigenschaften<br />

der Terra Preta aus dem Regenwald sehr nahekamen. Aufgrund ihrer<br />

sehr großen Oberfläche kann die Pflanzenkohle die Nährstoff- und<br />

Wasserhaltefähigkeit des Bodens deutlich verbessern. „Doch die Pflanzenkohle<br />

allein macht noch lange keine Terra Preta. Das haben auch<br />

groß angelegte Versuche in den USA und in Australien gezeigt“, weiß<br />

Joachim Böttcher. Er vermutete, dass über die hochporöse Pflanzenkohle<br />

in Verbindung mit einem speziellen Fermentationsverfahren<br />

bestimmte Mikroorganismen besonders gefördert werden, während<br />

andere Mikroben-Stämme, vorwiegend Krankheits- und Schaderreger,<br />

wirksam unterdrückt werden. Der wissenschaftliche Beweis für diese<br />

In der Pfalz werden durch den Einsatz von Palaterra, der fruchtbaren Schwarzerde, die Joachim Böttcher nach dem Vorbild der Terra Preta do Indio produziert,<br />

die Ertäge im Weinbau verbessert, ohne dass der Boden und das Grundwasser belastet werden.<br />

78 Sommer 2021

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