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Bildende Kunst und Literatur

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der völligen Verschiedenheit der zugr<strong>und</strong>e liegenden psychischen Pro-<br />

zesse (Sublimierung anstelle des Durchbruchs aus dem Unbewußten)<br />

bleibt der Charakter der Neurose aus, die Geb<strong>und</strong>enheit an die ur-<br />

sprünglichen Komplexe der infantilen Sexualforschung entfällt, <strong>und</strong> der<br />

Trieb kann sich frei im Dienste des intellektuellen Interesses betätigen.<br />

Der Sexualverdrängung, die ihn durch den Zuschuß von sublimierter<br />

Libido so stark gemacht hat, trägt er noch Rechnung, indem er die Be-<br />

schäftigung mit sexuellen Themen vermeidet.<br />

Wenn wir das Zusammentreffen des übermächtigen Forschertriebes bei<br />

Leonardo mit der Verkümmerung seines Sexuallebens erwägen, welches<br />

sich auf sogenannte ideelle [sublimierte] Homosexualität einschränkt,<br />

werden wir geneigt sein, ihn als einen Musterfall unseres dritten Typus<br />

in Anspruch zu nehmen. Daß es ihm nach infantiler Betätigung der Wiß-<br />

begierde im Dienste sexueller Interessen dann gelungen ist, den grö-<br />

ßeren Anteil seiner Libido in Forscherdrang zu sublimieren, das wäre<br />

der Kern <strong>und</strong> das Geheimnis seines Wesens. Aber freilich der Beweis<br />

für diese Auffassung ist nicht leicht zu erbringen. Wir bedürften hiezu<br />

eines Einblickes in die seelische Entwicklung seiner ersten Kinderjahre,<br />

<strong>und</strong> es erscheint töricht, auf solches Material zu hoffen, wenn die Nach-<br />

richten über sein Leben so spärlich <strong>und</strong> so unsicher sind <strong>und</strong> wenn es<br />

sich überdies um Auskünfte über Verhältnisse handelt, die sich noch bei<br />

Personen unserer eigenen Generation der Aufmerksamkeit der Beob-<br />

achter entziehen.<br />

Wir wissen sehr wenig von der Jugend Leonardos. Er wurde 1452 in<br />

dem kleinen Städtchen Vinci zwischen Florenz <strong>und</strong> Empoli geboren; er<br />

war ein uneheliches Kind, was in jener Zeit gewiß nicht als schwerer<br />

bürgerlicher Makel betrachtet wurde; sein Vater war Ser Piero da Vinci,<br />

ein Notar <strong>und</strong> Abkömmling einer Familie von Notaren <strong>und</strong> Land-<br />

bebauern, die ihren Namen nach dem Orte Vinci führten; seine Mutter<br />

eine Caterina, wahrscheinlich ein Bauernmädchen, die später mit einem<br />

anderen Einwohner von Vinci verheiratet war. Diese Mutter kommt in<br />

der Lebensgeschichte Leonardos nicht mehr vor, nur der Dichter Meresch-<br />

kowski glaubt ihre Spur nachweisen zu können. Die einzige sichere<br />

Auskunft über Leonardos Kindheit gibt ein amtliches Dokument aus<br />

dem Jahre 1457, ein Florentiner Steuerkataster, in welchem unter den<br />

Hausgenossen der Familie Vinci Leonardo als fünfjähriges illegitimes<br />

Kind des Ser Piero angeführt wird 1 . Die Ehe Ser Pieros mit einer Donna<br />

1 Scognamiglio (1900, 15).<br />

Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci<br />

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