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Bildende Kunst und Literatur

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NACHTRAG ZUR ARBEIT ÜBER DEN MOSES<br />

DES MICHELANGELO<br />

(1927)<br />

Mehrere Jahre nach dem Erscheinen meiner Arbeit über den Moses des<br />

Michelangelo, die 1914 in der Zeitschrift Imago – ohne Nennung meines<br />

Namens – abgedruckt wurde, geriet durch die Güte von E. Jones eine<br />

Nummer des Burlington Magazine for Connoisseurs in meine Hand<br />

(Nr. CCXVII, Vol. XXXVIII., April 1921), durch welche mein Inter-<br />

esse von neuem auf die vorgeschlagene Deutung der Statue gelenkt<br />

werden mußte. In dieser Nummer [S. 157–66] findet sich ein kurzer<br />

Artikel von H. P. Mitchell über zwei Bronzen des zwölften Jahrhun-<br />

derts, gegenwärtig im Ashmolean Museum, Oxford, die einem hervor-<br />

ragenden Künstler jener Zeit, Nicholas von Verdun, zugeschrieben wer-<br />

den. Von diesem Manne sind noch andere Werke in Tournay, Arras <strong>und</strong><br />

Klosterneuburg bei Wien erhalten; als sein Meisterwerk gilt der Schrein<br />

der Heiligen Drei Könige in Köln.<br />

Eine der beiden von Mitchell gewürdigten Statuetten ist nun ein Moses<br />

(über 23 Zentimeter hoch), über jeden Zweifel gekennzeichnet durch die<br />

ihm beigegebenen Gesetzestafeln. Auch dieser Moses ist sitzend darge-<br />

stellt, von einem faltigen Mantel umhüllt, sein Gesicht zeigt einen leiden-<br />

schaftlich bewegten, vielleicht bekümmerten Ausdruck, <strong>und</strong> seine rechte<br />

Hand umgreift den langen Kinnbart <strong>und</strong> preßt dessen Strähne zwischen<br />

Hohlhand <strong>und</strong> Daumen wie in einer Zange zusammen, führt also die-<br />

selbe Bewegung aus, die in Figur 2 meiner Abhandlung als Vorstufe<br />

jener Stellung supponiert wird, in welcher wir jetzt den Moses des<br />

Michelangelo erstarrt sehen.<br />

Ein Blick auf die beistehende Abbildung 1 läßt den Hauptunterschied der<br />

beiden, durch mehr als drei Jahrh<strong>und</strong>erte getrennten Darstellungen er-<br />

kennen. Der Moses des lothringischen Künstlers hält die Tafeln mit<br />

seiner linken Hand bei ihrem oberen Rand <strong>und</strong> stützt sie auf sein Knie;<br />

überträgt man die Tafeln auf die andere Seite <strong>und</strong> vertraut sie dem<br />

rechten Arm an, so hat man die Ausgangssituation für den Moses des<br />

Michelangelo hergestellt. Wenn meine Auffassung der Geste des In-den-<br />

Bart-Greifens zulässig ist, so gibt uns der Moses aus dem Jahre 1180<br />

1 [In dieser Ausgabe gegenüber Seite 209.]<br />

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