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Bildende Kunst und Literatur

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<strong>Bildende</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>und</strong> <strong>Literatur</strong><br />

die Spielwut ein Äquivalent des alten Onaniezwanges, mit keinem<br />

anderen Wort als »Spielen« ist in der Kinderstube die Betätigung der<br />

Hände am Genitale benannt worden. Die Unwiderstehlichkeit der Ver-<br />

suchung, die heiligen <strong>und</strong> doch nie gehaltenen Vorsätze, es nie wieder<br />

zu tun, die betäubende Lust <strong>und</strong> das böse Gewissen, man richte sich<br />

zugr<strong>und</strong>e (Selbstmord), sind bei der Ersetzung unverändert erhalten<br />

geblieben. Die Zweigsche Novelle wird zwar von der Mutter, nicht vom<br />

Sohne, erzählt. Es muß dem Sohne schmeicheln zu denken: wenn die<br />

Mutter wüßte, in welche Gefahren mich die Onanie bringt, würde sie<br />

mich gewiß durch die Gestattung aller Zärtlichkeiten an ihrem eigenen<br />

Leib vor ihnen retten. Die Gleichstellung der Mutter mit der Dirne, die<br />

der Jüngling in der Zweigschen Novelle vollzieht, gehört in den Zu-<br />

sammenhang derselben Phantasie. Sie macht die Unzugängliche leicht<br />

erreichbar; das böse Gewissen, das diese Phantasie begleitet, setzt den<br />

schlechten Ausgang der Dichtung durch. Es ist auch interessant zu be-<br />

merken, wie die der Novelle vom Dichter gegebene Fassade deren ana-<br />

lytischen Sinn zu verhüllen sucht. Denn es ist sehr bestreitbar, daß das<br />

Liebesleben der Frau von plötzlichen <strong>und</strong> rätselhaften Impulsen be-<br />

herrscht wird. Die Analyse deckt vielmehr eine zureichende Motivie-<br />

rung für das überraschende Benehmen der bis dahin von der Liebe ab-<br />

gewandten Frau auf. Dem Andenken ihres verlorenen Ehemannes ge-<br />

treu, hat sie sich gegen alle ihm ähnlichen Ansprüche gewappnet, aber<br />

– darin behält die Phantasie des Sohnes recht – einer ihr ganz unbe-<br />

wußten Liebesübertragung auf den Sohn war sie als Mutter nicht ent-<br />

gangen, <strong>und</strong> an dieser unbewachten Stelle kann das Schicksal sie packen.<br />

Wenn die Spielsucht mit ihren erfolglosen Abgewöhnungskämpfen <strong>und</strong><br />

ihren Gelegenheiten zur Selbstbestrafung eine Wiederholung des Ona-<br />

niezwanges ist, so werden wir nicht verw<strong>und</strong>ert sein, daß sie sich im<br />

Leben Dostojewskis einen so großen Raum erobert hat. Wir finden doch<br />

keinen Fall von schwerer Neurose, in dem die autoerotische Befriedigung<br />

der Frühzeit <strong>und</strong> der Pubertätszeit nicht ihre Rolle gespielt hätte, <strong>und</strong><br />

die Beziehungen zwischen den Bemühungen, sie zu unterdrücken, <strong>und</strong><br />

der Angst vor dem Vater sind zu sehr bekannt, um mehr als einer Er-<br />

wähnung zu bedürfen 1 .<br />

1 Die meisten der hier vorgetragenen Ansichten sind auch in der 1923 erschienenen treff-<br />

lichen Schrift von Jolan Neufeld, Dostojewski, Skizze zu seiner Psychoanalyse (Imago-<br />

Bücher, Nr. IV), enthalten.<br />

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