14.02.2013 Aufrufe

Die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens - Rosa ...

Die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens - Rosa ...

Die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens - Rosa ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

dieselbe dem Nachdenken, Grübeln, Träumen, Sorgen, Lieben, Hassen« 122 . Nichtarbeit<br />

ist im Gegensatz dazu nicht bloße Faulheit. Sie ermöglicht die freie Wahl<br />

individueller Tätigkeit, Muße und die Erfahrung <strong>des</strong> désœvrement 123 , der Entwerkung,<br />

bei der jede teleologische, formende Aktivität aussetzt, zugunsten offener<br />

Zeit- und Kommunikationsräume, in denen neue Möglichkeiten entstehen. Zu einer<br />

ähnlichen Erkenntnis gelangte auch Oscar Wilde, indem er schrieb: »Muße,<br />

nicht Arbeit, ist das Ziel <strong>des</strong> Menschen« 124 und weiter: »An der körperlichen Arbeit<br />

ist ganz und gar nichts notwendig Würdevolles, und meistens ist sie ganz und<br />

gar entwürdigend.« 125 <strong>Die</strong> Arbeit der Zukunft, so wie sie sich Wilde vorstellte,<br />

sollte frei gewählt sein und mit Freude verrichtet werden, wobei Arbeit »lediglich<br />

[als] irgendeine Betätigung« 126 zu verstehen sei.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Idee</strong> <strong>des</strong> BGE bricht radikal mit einer Glorifizierung von Erwerbsarbeit<br />

und stellt die Engführung <strong>des</strong> Arbeitsbegriffs auf Erwerbsarbeit in Frage. Arbeit<br />

ist demnach weit mehr als die Tätigkeit, welche ausschließlich auf dem Arbeitsmarkt<br />

geleistet wird. Der Reichtum der Gesellschaft generiert sich aus einer unüberschaubaren<br />

Fülle und Vielfältigkeit menschlicher Aktivität. Erwerbsarbeit ist<br />

dabei nur eine Form unter vielen anderen, stützt man sich auf die Aussagen <strong>des</strong><br />

Statistischen Bun<strong>des</strong>amtes. Im Jahr 2001 wurden 56 Milliarden Stunden Erwerbsarbeit<br />

und 96 Milliarden Stunden unbezahlte Arbeiten geleistet. 127 Das heißt, es<br />

werden fast doppelt so viele Stunden in unbezahlter wie in bezahlter Arbeit geleistet.<br />

Dazu gehören Haus- und Erziehungsarbeiten sowie bürgerschaftliches Engagement.<br />

Hinzu kommt außerdem die Wissensarbeit – die immaterielle Reproduktion<br />

<strong>des</strong> Menschen und die Reproduktion lebendigen Wissens (Erfahrungswissen,<br />

Urteilsvermögen, Koordinierungs- und Selbstorganisationsvermögen, Verständigungs-<br />

und Einfühlungsvermögen). 128 Erwerbsarbeit baut auf all diesen unbezahlten<br />

Tätigkeiten auf. Sie bewirken die menschliche Wertschöpfung sozialen und<br />

kulturellen Zusammenhalts, sozialer Integration, die Vermittlung von Fähigkeiten<br />

und Kompetenzen. 129 Es ist also nicht nur Erwerbsarbeit, welche in die Gesellschaft<br />

integriert. Im Gegenteil. Dort, wo sie den Menschen nicht völlig aus sei-<br />

122 Ebenda.<br />

123 So die Nietzsche-Leser und -Interpreten Georges Bataille, Maurice Blanchot und Jean-Luc Nancy. Vgl. Georges<br />

Bataille: Inner Experience, New York 1943; Jean-Luc Nancy: La communauté <strong>des</strong>oeuvré, Paris 1986; Maurice<br />

Blanchot: The Unavowable Community, Barrytown, New York 1988.<br />

124 Oscar Wilde: Der Sozialismus und die Seele <strong>des</strong> Menschen, Zürich 1970, S. 34. Erstmalige Publikation im<br />

Februar 1891 in der »Fortnightly Review«.<br />

125 Ebenda, S. 32-33.<br />

126 Ebenda, S. 16.<br />

127 Vgl. <strong>Die</strong>ter Schäfer: Unbezahlte Arbeit und Haushaltsproduktion im Zeitvergleich. In: Statistisches Bun<strong>des</strong>amt<br />

(Hrsg.): Alltag in Deutschland. Analysen zur Zeitverwendung, Wiesbaden 2004, S. 247-273.<br />

128 Vgl. André Gorz: Wissen, Wert und Kapital. Zur Kritik der Wissensökonomie, Zürich 2001.<br />

129 Ähnlich den Überlegungen von André Gorz erläutert Manfred Füllsack, dass jede menschliche Arbeit erstens<br />

auf Wissen um die Brauchbarkeit und Produktivität der Arbeit aufbaut. Zweitens liegen ihr neben individuellen<br />

Netzwerks- und Kooperationsleistungen auch Leistungen vorangegangener Generationen zu Grunde. <strong>Die</strong>se zunehmende<br />

Vergesellschaftung, Verwissenschaftlichung und Subjektivierung moderner Arbeit stellt jedoch die<br />

individuelle Produktivitätsleistung in der Tauschwertproduktion in Frage. Vgl. Manfred Füllsack: Zuviel Wissen?<br />

Zur Wertschätzung von Arbeit und Wissen in der Moderne, Berlin 2006.<br />

87

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!