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Handbuch zur naturnahen Unterhaltung und zum Ausbau von

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<strong>Handbuch</strong> <strong>zur</strong> <strong>naturnahen</strong> <strong>Unterhaltung</strong> <strong>und</strong> <strong>zum</strong> <strong>Ausbau</strong> <strong>von</strong> Fließgewässern<br />

Die regelmäßigen Überflutungen <strong>von</strong> Flussauen –<br />

insbesondere des Gr<strong>und</strong>gebirges – sind auf die Winter-<br />

<strong>und</strong> Frühjahrsmonate konzentriert. In den Sommermonaten<br />

prägen den Wasserhaushalt der Auen<br />

hingegen niedrige Abflüsse, die in den Hauptgerinnen<br />

abgeführt werden, während die Nebengerinne <strong>und</strong><br />

schottergeprägten Bankstrukturen trockenfallen.<br />

Die höher gelegenen Auenflächen werden nur selten<br />

<strong>von</strong> Hochwässern erreicht <strong>und</strong> daher wenig <strong>von</strong><br />

Substratumlagerungen geformt (s. Abb. 2). Dagegen<br />

sind die niedrigen Auenbereiche an bis zu 25 Tagen<br />

im Jahr <strong>von</strong> starken Abflüssen geprägt. Die begleitenden<br />

Schotterfluren größerer Flüsse werden an bis<br />

zu 160 Tagen überströmt <strong>und</strong> weisen durch die hohe<br />

hy draulische Belastung <strong>und</strong> den Geschiebetrieb nur<br />

lückige Vegetationsbestände auf. Auch an Bächen<br />

werden die gewässernahen Bereiche natürlicherweise<br />

mehrmals im Jahr überflutet.<br />

Die Gr<strong>und</strong>wasserverhältnisse sind in Abhängigkeit<br />

<strong>von</strong> der Höhengliederung des Talbodens sehr unterschiedlich.<br />

Die höher gelegenen Auenbereiche weisen<br />

relativ große Gr<strong>und</strong>wasser flurabstände mit einer hohen<br />

Amplitude auf, während in den tiefer gelegenen<br />

Auenbereichen mit Senken, Mulden <strong>und</strong> Rinnen hoch<br />

anstehendes Gr<strong>und</strong>wasser vorherrscht. In Senken am<br />

Talrand prägt zusätzlich nährstoffarmes <strong>und</strong> kühles<br />

Hangzugwasser die standörtlichen Bedingungen.<br />

Die genannten natürlichen Faktoren können durch<br />

menschliche Einwirkungen verändert werden. Zuweilen<br />

kann die Überprägung so stark sein, dass das<br />

natürliche Geschehen nicht mehr erkennbar ist. Veränderungen<br />

des Abflussverhaltens entstehen im Wesentlichen<br />

als Folge <strong>von</strong> abflussverschärfenden Flächennutzungen<br />

im Einzugsgebiet wie Versiegelungen<br />

<strong>und</strong> Teilversiegelungen. Auch landwirtschaftliche Meliorationsmaßnahmen<br />

können zu einer Verschärfung<br />

der Abflussverhältnisse beitragen. Insbesondere bei<br />

begradigten <strong>und</strong> gleichförmig ausgebauten Gewässern<br />

führen die erhöhten hydraulischen Belastungen<br />

zu Sohl- <strong>und</strong> Ufererosionen bis hin <strong>zum</strong> Ausräumen<br />

des belebten Lückensystems der Gewässersohle.<br />

Durch <strong>Ausbau</strong>- <strong>und</strong> Hochwasserschutzmaßnahmen<br />

wurden Überschwemmungsgebiete verkleinert. Das<br />

hat insbesondere bei Hochwasserabflüssen mit niedrigeren<br />

Jährlichkeiten dazu geführt, dass die eingezwängten<br />

Wassermassen jetzt deutlich beschleunigt<br />

ablaufen <strong>und</strong> der Hochwasserscheitel erhöht ist.<br />

Thüringer Landesanstalt<br />

für Umwelt <strong>und</strong> Geologie<br />

Seite 7<br />

Unmittelbare <strong>und</strong> signifikante Veränderungen der<br />

Abflussverhältnisse werden darüber hinaus durch<br />

Großeinleiter wie Kläranlagen <strong>und</strong> Großbetriebe mit<br />

teils überregionalem Wasserausgleich, durch bergbauliche<br />

Tätigkeiten wie z. B. Einleitungen <strong>von</strong> Sümpfungswässern<br />

sowie durch Speicherbauwerke wie<br />

Trinkwasser- <strong>und</strong> Brauchwassertalsperren verursacht.<br />

Speicherbauwerke können zu einer Vergleichmäßigung<br />

der <strong>von</strong> Natur aus dynamischen Abflussverhältnisse<br />

führen.<br />

2.2 Fließgewässertypen<br />

Naturnahe Bäche <strong>und</strong> Flüsse, die als Vorbilder für <strong>naturnahen</strong><br />

Gewässerausbau oder -unterhaltung dienen<br />

können, sind in der heutigen Kulturlandschaft vergleichsweise<br />

selten. In Naturräumen oder Regionen<br />

mit überwiegend anthropogen überformten Gewässern<br />

fehlen daher häufig Anschauungsbeispiele, welche<br />

Gewässerstrukturen natürlicherweise vorkommen<br />

würden <strong>und</strong> wie diese mit Tieren <strong>und</strong> Pflanzen besiedelt<br />

sind. Um eine ökologische Orientierungshilfe für<br />

die Gewässerentwicklung durch <strong>Ausbau</strong>- oder <strong>Unterhaltung</strong>smaßnahmen<br />

zu bekommen, bedient man<br />

sich daher in der Wasserwirtschaft – bereits lange vor<br />

der Einführung der Wasserrahmenrichtlinie – der Gewässertypologie.<br />

„Typologie“ bedeutet, dass die individuelle Vielfalt <strong>von</strong><br />

Bächen <strong>und</strong> Flüssen überschaubar gemacht wird, indem<br />

sie nach gemeinsamen natürlichen Merkmalen<br />

geordnet werden. Gewässer, die aufgr<strong>und</strong> der naturräumlichen<br />

Gegebenheiten ähnliche morphologische,<br />

physikalisch-chemische, hydrologische oder biozönotische<br />

Merkmale aufweisen, werden in Klassen bzw.<br />

„Typen“ zusammengefasst. Die Beschreibung dieser<br />

Gewässertypen in ihrer natürlichen Ausprägung wird<br />

als Leitbild oder auch Referenzzustand bezeichnet.<br />

Allen Fließgewässern Thüringens, die wegen ihres<br />

Einzugsgebietes >10 km² für die WRRL besonders<br />

rele vant sind, wurde anhand der naturräumlichen Gegebenheiten<br />

mit ihren regional unterschiedlichen Böden,<br />

Gesteinen, Niederschlagsmengen <strong>und</strong> Gefällesituationen<br />

ein bestimmter Gewässertyp zugewiesen<br />

(s. Abb. 3).

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