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Handbuch zur naturnahen Unterhaltung und zum Ausbau von

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<strong>Handbuch</strong> <strong>zur</strong> <strong>naturnahen</strong> <strong>Unterhaltung</strong> <strong>und</strong> <strong>zum</strong> <strong>Ausbau</strong> <strong>von</strong> Fließgewässern<br />

Je nach Talbodengefälle, Substratbeschaffenheit <strong>und</strong><br />

Laufform entwickelt sich das Längsprofil in unterschiedlicher<br />

Art <strong>und</strong> Weise. So wird das Gefälle in<br />

Kerbtalbächen des silikatischen Gr<strong>und</strong>gebirges über<br />

kaskadenartige Stufen abgebaut. Dagegen wechselt<br />

in löss-lehmgeprägten Tieflandbächen die Wassertiefe<br />

im Längsverlauf zwischen tiefen <strong>und</strong> flach überströmten<br />

Bereichen. Die Häufigkeit <strong>und</strong> das Ausmaß, mit<br />

denen die Wassertiefe im Längsverlauf bei mittleren<br />

Wasserständen wechselt, werden als Tiefenvarianz<br />

bezeichnet. Die Tiefenvarianz ist ein Parameter dafür,<br />

wie differenziert das Gewässer hinsichtlich Hydraulik,<br />

Substrat <strong>und</strong> Biologie ausgeprägt ist.<br />

Unabhängig vom Gewässertyp ist die Durchgängigkeit<br />

ein wesentliches Charakteristikum naturnaher Fließgewässer.<br />

Für viele Organismen, <strong>von</strong> aquatischen Wirbellosen<br />

bis zu wandernden Fischen (z. B. Lachs oder Aal),<br />

gehören unterschiedlich stark ausgeprägte Wanderungen<br />

<strong>und</strong> Ortswechsel – darunter auch die Besiedlung<br />

unterschiedlicher Habitate im Laufe des Entwicklungszyklus<br />

– zu den gr<strong>und</strong>sätzlichen Verhaltensweisen.<br />

Deshalb hat die freie Durchwanderbarkeit <strong>von</strong> Gewässersystemen<br />

eine herausragende Bedeutung (gu d e r i a n<br />

& gu n k e L 2000). Unter natürlichen Bedingungen ist die<br />

auf- <strong>und</strong> abwärts gerichtete Durchgängigkeit im Längsverlauf<br />

der Gewässer für wandernde Tiere – abgesehen<br />

<strong>von</strong> natürlichen Wasserfällen – nicht eingeschränkt.<br />

In vielen Gewässern wird die ökologische Durchgängigkeit<br />

<strong>von</strong> Querbauwerken <strong>und</strong> deren Rückstaubereichen<br />

verhindert oder <strong>zum</strong>indest eingeschränkt.<br />

Neben kleineren <strong>und</strong> mittelgroßen Querbauwerken,<br />

<strong>von</strong> denen in Thüringen über 6000 kartiert worden<br />

sind, bestehen mit den zahlreichen Talsperren sehr<br />

weit reichend überprägte Laufabschnitte, die vollständig<br />

ihren Fließgewässercharakter verloren haben.<br />

Querbauwerke beeinflussen zudem über lange Gewässerabschnitte<br />

den Feststoffhaushalt. Dort, wo Gewässersohlen<br />

verbaut sind <strong>und</strong> wo Verrohrungen <strong>und</strong><br />

Durchlässe keine natürliche Substratauflage haben,<br />

ist eine Durchgängigkeit des belebten Lückensystems<br />

(Interstitials) nicht gegeben. 2<br />

Eine gewässertypspezifische Sohlstruktur wird maßgeblich<br />

durch natürliche Substratverhältnisse <strong>und</strong><br />

eine hohe Substratdiversität geprägt. Zusätzlich zu<br />

den mineralischen Substraten haben Detritus, also<br />

<strong>zum</strong>eist abgestorbenes pflanzliches Feinmaterial <strong>und</strong><br />

2 siehe dazu:<br />

http://www.thueringen.de/de/publikationen/pic/<br />

pubdownload170.pdf<br />

Thüringer Landesanstalt<br />

für Umwelt <strong>und</strong> Geologie<br />

Seite 13<br />

Totholz eine große Bedeutung für die Entwicklung <strong>von</strong><br />

Strukturen <strong>und</strong> damit auch <strong>von</strong> Habitaten. Auch höhere<br />

aquatische Pflanzen, die mäßig beschattete <strong>und</strong><br />

lichtdurchflutete Gewässerabschnitte besiedeln, bilden<br />

eine eigene Habitatstruktur aus <strong>und</strong> beeinflussen<br />

die Sohlstrukturen. Sohl- <strong>und</strong> Bankstrukturen sowie<br />

Totholz in <strong>naturnahen</strong> Gewässern sind zugleich Ergebnis<br />

<strong>und</strong> Auslöser variierender Strömungs- <strong>und</strong> Sedimentationsverhältnisse.<br />

Sie treten in den verschiedenen<br />

Gewässertypen in unterschiedlichsten Formen<br />

<strong>und</strong> Substraten auf.<br />

Künstliche Sohlendeckwerke <strong>und</strong> anthropogene Veränderungen<br />

der Sedimentationsbedingungen (z. B.<br />

unterhalb <strong>von</strong> Querbauwerken) führen dazu, dass die<br />

Sohlsubstrate <strong>zum</strong> Teil erheblich <strong>von</strong> den natürlichen<br />

Verhältnissen abweichen. Auch eintönige Sohlsubstrate<br />

oder fehlende Hartsubstrate wie z. B. Totholz kennzeichnen<br />

Defizite in der Gewässerstruktur.<br />

Abb. 13: Alter Sturzbaum mit Bank- <strong>und</strong> Kolkstrukturen<br />

Gewässerufer<br />

im bewaldeten Mittelgebirge (Foto: U. Koenzen)<br />

Natürliche Querprofile der verschiedenen Gewässertypen<br />

sind je nach Laufform <strong>und</strong> Lage hochgradig variabel.<br />

Mit wenigen Ausnahmen dominieren <strong>von</strong> Natur<br />

aus sehr breite <strong>und</strong> flache Querprofile. Unter natürlichen<br />

Bedingungen entsteht durch die Ungleichförmigkeit<br />

<strong>und</strong> Lückenhaftigkeit der Ufergehölze, durch<br />

umgestürzte Bäume, durch Treibholzansammlungen<br />

etc. ein kleinräumiger Wechsel in der Gewässerbreite.<br />

Er wird als Breitenvarianz bezeichnet.<br />

Gewässerbetten tendieren <strong>von</strong> Natur aus zu einem<br />

ausgewogenen Verhältnis zwischen Breite <strong>und</strong> Tiefe.<br />

Ein wesentlicher Faktor ist dafür die Bindigkeit des<br />

Sohl- <strong>und</strong> Ufermaterials. Bäche <strong>und</strong> Flüsse in Sand-<br />

<strong>und</strong> Kiesböden sind tendenziell breiter <strong>und</strong> flacher<br />

ausgeprägt als Fließgewässer in Lehmböden. Das<br />

Gleichgewicht zwischen Breite <strong>und</strong> Tiefe ist jedoch

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