Aichholzer N., Friedhuber, J.(2003) - Ludwig Boltzmann Institut für ...
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Jugendlichen scheinen wirklich ein Bedürfnis danach mitzubringen. Wenn eine Person zu<br />
rauchen beginnt, wenn jemand initiiert, greift es um sich, bis alle rauchen. Fast ist einem um<br />
den Start-Raucher leid, der seine Zigaretten verteilen muss.<br />
Dieses Mitrauchen kann unterschiedlichst begründet werden. Sichtbar wird aber immer die<br />
Eigeninitiative und kein wirklicher Druck oder Zwang von der Gruppe ausgehend.<br />
"B1: Das ist halt, mit den Freunden habe ich mehr Spaß, da will ich einfach<br />
rauchen, zu Hause nicht, aber da<strong>für</strong> bei meinen Freunden, weil jeden Freitag<br />
ist das bei mir so." (Wienerberg M 531/533)<br />
Mehr als von Gruppendruck kann hier vom Spaßfaktor Rauchen gesprochen werden, der<br />
offenbar nur in der Gruppe so richtig zum Tragen kommt. Niemand von den Freunden drängt<br />
ihm eine auf oder zwingt ihn zu rauchen. "Da will ICH einfach rauchen" spiegelt wieder, dass<br />
der Junge aus freier Entscheidung handelt. Diese Entscheidung ist allerdings weniger eine<br />
zum Rauchen, als eine <strong>für</strong> die Atmosphäre und die Stimmung in der Peer group, den<br />
„Spaßfaktor“ eben. Es scheint so zu sein, dass die Peer group bestimmte Erlebnisqualitäten<br />
anbieten und vermitteln können muss, wenn der einzelne Jugendliche sich da<strong>für</strong> entscheiden<br />
soll, gerade bei dieser und keiner anderen Gruppe mitzumachen. Es sind ja die meisten<br />
Schulklassen und Wohngebiete in verschiedene Peer groups (Gruppen von Gleichaltrigen)<br />
eingeteilt, so dass <strong>für</strong> den einzelnen Jugendlichen eine gewisse Art von Wahl gegeben ist.<br />
Vielleicht ist darin auch eine Folge des Rückgangs der Geburtenrate zu sehen, dass in den<br />
geburtenschwachen Jahrgängen seit den 70ern die einzelne Peer group eher um Mitglieder<br />
werben muss und es sich nicht mehr in gewohntem Maße leisten kann, potenzielle Mitglieder<br />
durch Ausübung von Zwängen jedweder Art zu vergraulen. Viel mehr müssen die<br />
Freundeskreise heute mehr denn je <strong>für</strong> einander Unterhaltung bieten.<br />
Das Moment des Wählens kommt in folgendem Zitat sehr klar zum Ausdruck.<br />
"B1: 3 Wochen lang in Deutschland nichts geraucht, nicht einmal einen Zug, nicht<br />
einmal in der Hand gehabt eine Zigarette, auch durchgedreht, aber dann nach<br />
der dritten Woche ist es eh gegangen. San ma hergekommen wieder, hab i<br />
mir gedacht, okay, jetzt habe ich es eh schon gepackt, komm zurück, 2 Tage<br />
im Park, Ü. nimm an Zug, ach nimm einen Zug, habe ich mir gedacht, okay,<br />
durch einen Zug wird wieder nichts. Dann habe ich mir gedacht, oje, es wird<br />
wieder wie am Anfang, dann bin ich eine Woche nie in Park gegangen, also<br />
irgendwo anders, anderer Freundeskreis, die haben auch alle nicht geraucht.<br />
Dann war der Freundeskreis nichts Richtiges <strong>für</strong> mich, habe ich mir gedacht,<br />
ich gehe wieder zurück und dann ist wieder dazu gekommen. Und das war<br />
es." (Wienerberg M 199/219)<br />
Es wird deutlich, dass der Bursche aus Unterschichtverhältnissen den Freundeskreis wählt<br />
und damit die Form von sozialem Umgang und Freizeitgestaltung, die er <strong>für</strong> sich braucht und<br />
haben will, und nicht die Zigarette. Das Rauchen nimmt er in Kauf, um in die Gruppe<br />
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