Aichholzer N., Friedhuber, J.(2003) - Ludwig Boltzmann Institut für ...
Aichholzer N., Friedhuber, J.(2003) - Ludwig Boltzmann Institut für ...
Aichholzer N., Friedhuber, J.(2003) - Ludwig Boltzmann Institut für ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
„M3: Ja, nach der Schule. Also, nicht gleich nach der Schule, weil ich doch relativ<br />
Panik habe vor irgendwelchen Lehrern, die doch da sein könnten.<br />
M1: Die sagen immer, gehts auf die andere Straßenseite, wenn Ihr schon rauchen<br />
müssts.<br />
M3: Ja, oder halt nachher dann, also, wenn man ein bisschen weggegangen ist.<br />
Weil ich hab doch, ich rauche nicht richtig auf offener Straße, außer halt am<br />
Abend, wo man weiß, dass jetzt wirklich keiner da sein kann, aber ich habe<br />
am Nachmittag doch recht Angst vor irgendwelchen Leuten.<br />
I: Also, Du machst es noch, kann man sagen, eher heimlich, das Rauchen?<br />
M3: Im Moment ja, ich glaube, das nächste Jahr, wenn wir raus dürfen in der<br />
Pause.<br />
M2: Ja, wenn du 16 bist.<br />
M3: Ja, eben, genau.“ (Simon W 307/329)<br />
„I: Und so überhaupt, weil die rauchen zum Beispiel total offen und Du machst es<br />
doch eher heimlich, auch bei den Lehrern und so? Gibt es da einen Grund<br />
da<strong>für</strong>?<br />
M3: Ja, ich will einfach nicht, dass es die Lehrer wissen, ich weiß nicht, ich glaube<br />
vielleicht, hab ich irgendwie Angst, dass sie dann meine Eltern anrufen, oder<br />
es ist mir einfach teilweise unangenehm, also vor bestimmten Leuten den<br />
Lehrern, ich weiß nicht.“ (Simon W 483/493)<br />
Schlechtes Gewissen<br />
Die Jugendlichen haben insgesamt in hohem Maße Angst vor Entdeckung. Das zeigt<br />
zweierlei: einmal, dass sie wissen, dass sie nicht rauchen sollen, dass es von den<br />
Erwachsenen nicht nur nicht gern gesehen, sondern verboten ist und dass sie im Falle der<br />
Entdeckung mit mehr oder weniger unangenehmen Folgen zu rechnen haben. Rauchen ist<br />
bei Jugendlichen kein sozial akzeptiertes Verhalten mehr und die Jugendlichen wissen das.<br />
Zum andern aber zeigt die Entdeckungsangst, dass die Jugendlichen die Zigarette<br />
mitnichten als Symbol ihrer Revolte und ihrer Unzufriedenheit den Erwachsenen<br />
entgegenstrecken. Auch innerhalb des geheimen Zirkels behandeln sie die Zigarette nicht<br />
als Kokarde einer verschwörerischen Gemeinschaft, die in der Verschwiegenheit dunkler<br />
Gassen, finsterer Keller oder Parkanlagen ihrem Freiheitsdrang huldigt. Das Verbot ist nicht<br />
der Grund, weshalb sie es tun. Das Verbot nötigt zwar zumindest anfangs zur<br />
Geheimhaltung und vermittelt zusätzlich einen gewissen Kick, als Motiv spielt es jedoch<br />
keine Rolle.<br />
Es ist vielmehr so, dass die Jugendlichen selbst noch in der entlegensten, vor Entdeckung<br />
bestens gesicherten Ecke zumeist mit einem schlechten Gewissen rauchen. Das schlechte<br />
Gewissen lässt sich nicht aussperren, allenfalls ein bisschen betäuben oder klein reden. Hier<br />
scheint wieder ein gewisser Geschlechtsunterschied gegeben zu sein: während die Mädchen<br />
fast ausnahmslos über heftige Gewissensbisse bei den ersten Versuchen berichten,<br />
36