Aichholzer N., Friedhuber, J.(2003) - Ludwig Boltzmann Institut für ...
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4.6 Stufe sechs: Gewahrwerden der Sucht<br />
Vielen Jugendlichen fällt schon nach kurzem Raucherdasein auf, dass sie von der<br />
Zigarette abhängig geworden sind. Sie empfinden erste Entzugserscheinungen, wenn<br />
sie keine Zigaretten verfügbar haben. Einige beginnen jetzt mit häufig vergeblichen<br />
Versuchen aufzuhören.<br />
In dieser letzten Phase der Raucherkarriere vollziehen die Jugendlichen den abschließenden<br />
Schritt in der Identitätsentwicklung zum Raucher oder zur Raucherin, indem sie sich nun<br />
bewusst machen, akzeptieren oder reuevoll eingestehen, dass sie nun Raucher/innen sind.<br />
Dieser Vorgang ist mit der Einsicht verbunden und wird von dieser sogar ausgelöst, dass sie<br />
von der Zigarette schon nicht mehr lassen können, jedenfalls nicht mehr leicht. Sie<br />
empfinden sich als abhängig bzw. süchtig. Unseren eigenen Untersuchungen zufolge wollen<br />
etwa zwei Drittel der 15-jährigen Raucher/innen wieder mit dem Rauchen aufhören (vgl. Dür<br />
et al. 2002).<br />
Der Unterschied, der plötzlich relevant wird und an dem die Jugendlichen diese neue<br />
Entwicklung festmachen, ist der, dass sie nun auch alleine rauchen, einsam und nur <strong>für</strong> sich,<br />
ohne Freund/innen und ohne Gruppenkontakte, einfach weil es sein muss. So sehr das<br />
Rauchen in anderen Phasen und unter anderen Umständen als „kommunikativ“, Gruppen<br />
zusammen haltend und Leute verbindend erscheinen mag, die andere Seite der Medaille ist<br />
eben die, dass es unter anderen Bedingungen zugleich auch sehr einsam macht. Nicht etwa<br />
deshalb, weil Nicht-Raucher/innen einen sozial ausschließen würden, sondern einzig<br />
deshalb, weil die Zigarette die Egozentrik einfordert, gegebenenfalls seltsame, wenn es um<br />
das Eigentum anderer geht, manchmal auch problematische Verhaltensweisen an den Tag<br />
zu legen. Die Frage der Toleranz oder Intoleranz insbesondere von Nicht-Raucher/innen<br />
gegenüber Raucher/innen sollte von diesen auch einmal unter diesem Gesichtspunkt<br />
gesehen werden.<br />
So nehmen die Jugendlichen jetzt auch einiges auf sich, um zu Zigaretten zu kommen,<br />
verlassen etwa mitten in der Nacht das Haus oder die Wohnung und suchen den nächsten<br />
Automaten auf oder radeln einsam kilometerweit, sogar in fremden Ländern, um ihre Sucht<br />
zu bedienen. Sie sprechen jetzt von „Notsituationen“, in denen man Zigaretten auch heimlich<br />
zum Beispiel der eigenen Mutter entwendet.<br />
Angetrieben sind sie vom brennenden Wunsch, „jetzt unbedingt“ und „irrsinnig gerne“<br />
rauchen zu müssen. In anderer Form sind diese Erfahrungen und Verhaltensweisen von<br />
illegalen Drogenabhängigen bekannt.<br />
„I: Ab wann habt Ihr eigentlich gemerkt, so quasi, dass Ihr Zigaretten haben<br />
wollt?<br />
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