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Aichholzer N., Friedhuber, J.(2003) - Ludwig Boltzmann Institut für ...

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evölkern. Noch wird in sogenannten Kult-Sendungen wie „Sex and the City“ hemmungslos<br />

geraucht. Noch sind die Raucherzonen in Gasthäusern und Restaurants größer als die<br />

eigentlichen Normalbereiche der Nicht-Raucher. Noch sind die Tabaktrafiken des Landes<br />

nicht an entlegenen Orten versteckt, sondern an den zentralen, strategisch bedeutsamen<br />

Plätzen unserer Städte, und noch werden darin nicht nur Zigaretten, sondern auch die<br />

publizierte Öffentlichkeit gehandelt, sozusagen ein Abbild des offiziellen Österreich.<br />

Darüber hinaus finden wir viele Beispiele da<strong>für</strong>, dass Jugendliche ihr Rauchen mit einem<br />

schlechten Gewissen verbinden und es im Geheimen tun, vor allem deshalb, weil sie nicht<br />

wollen, dass Vater, Mutter und ihre Lehrer/innen davon erfahren. Wer bliebe dann aber noch<br />

als Adressat des Protestes übrig? Dieses Theorem muss aus heutiger Sicht daher ebenfalls<br />

revidiert, wenn nicht ad acta gelegt werden. Es stammt ursprünglich aus der Frühzeit der<br />

Etablierung der Zigarette in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts, nach dem ersten<br />

Weltkrieg, als sie zunächst das Image des Verruchten, des Abseitigen und<br />

Lebensfeindlichen, des antibürgerlichen Außenseitertums hatte, als in Filmen vor allem<br />

Gangster, Abenteurer und die Femmes fatales geraucht haben (vgl. Hengartner 1996).<br />

Dieses Bild hat sich bis heute gründlich verändert. Die Zigarette ist heute vollständig<br />

normalisiert und differenziert nicht mehr nach Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen, da letztlich<br />

in allen Schichten und Populationen, wie immer diese definiert werden, Raucher/innen und<br />

Nicht-Raucher/innen zu finden sind.<br />

Mit der Zigarette ist aber ein neues Differenzierungsschema verbunden worden, welches<br />

nicht Personen und deren Habitus, sondern vielmehr Situationen unterscheidet, und zwar in<br />

solche, in denen geraucht wird, und solche, in denen nicht geraucht wird. Damit ist<br />

tendenziell ist die alte Unterscheidung von Raucher vs. Nicht-Raucher obsolet und jenen<br />

gesundfördernden Maßnahmen, die auf Raucher/innen als konkrete Personen abzielen,<br />

verfehlen einen wesentlichen Punkt. Man ist nicht Raucher, sondern man raucht.<br />

Die typische „Situation <strong>für</strong> Rauchen“ scheint eine zu sein, in der vom Handelnden<br />

Selbstkontrolle, Entspannung und Beruhigung hergestellt werden muss, eine Gemütslage<br />

insgesamt, die man kurz als cool bezeichnen kann. Dieser Terminus wird in unseren<br />

Fokusgruppen auch tatsächlich verwendet, allerdings seltener und gleichbedeutend mit<br />

Begriffen wie „chillig“ oder „chill-out“, was darauf hindeutet, dass es sich weder um einen tief<br />

in der Persönlichkeit verankerten Charakterzug noch um eine grundlegende Lebenshaltung<br />

oder Weltanschauung handelt, sondern um die Tätigkeit des Herstellens einer momentanen<br />

Gemütslage. Das Image der Zigarette ist heute insofern viel direkter mit den Wirkungen<br />

verbunden, die von ihren psychoaktiven Substanzen tatsächlich ausgehen, und weniger mit<br />

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