Der Faktor Geschwindigkeit im motorisierten Strassenverkehr - BfU
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5. <strong>Geschwindigkeit</strong> aus Sicht der<br />
Psychologie<br />
Auch die Verkehrspsychologie hat sich mit dem<br />
Thema <strong>Geschwindigkeit</strong> befasst. Es gibt verschiedene<br />
Theorien und Modelle, die helfen können,<br />
das Problem überhöhter bzw. unangepasster <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
zumindest teilweise zu erklären und<br />
Lösungsansätze zu liefern.<br />
5.1 Lerntheorie<br />
Zu nennen wäre etwa die Lerntheorie, vor allem<br />
das Lernen am Modell durch das Beobachten des<br />
Fahrens mit unangepasster <strong>Geschwindigkeit</strong> bei<br />
anderen Motorfahrzeuglenkenden. Wenn man nun<br />
dafür sorgt, dass es kaum oder am besten gar keine<br />
«erfolgreichen» Beispiele für zu schnelles Fahren<br />
gibt, dann wird dies auch zunehmend seltener<br />
ausgeübt. So gibt es die klassische Untersuchung<br />
von Van Houten und Nau, bei der am Strassenrand<br />
angezeigt wurde, wie viel Prozent der Autofahrer<br />
die <strong>Geschwindigkeit</strong> einhalten [20]. Dabei wurde<br />
entweder ein strenges Kriterium (nicht einhalten<br />
der signalisierten <strong>Geschwindigkeit</strong>) oder ein weiches<br />
Kriterium (mit recht grosser Toleranz) verwendet.<br />
Be<strong>im</strong> strengen Kriterium ergaben sich demzufolge<br />
geringere Prozentsätze von Personen, die die<br />
<strong>Geschwindigkeit</strong> einhielten, be<strong>im</strong> weicheren Kriterium<br />
hingegen höhere Prozentsätze. Die höheren<br />
Prozentsätze führten zu einer positiveren Veränderung<br />
des <strong>Geschwindigkeit</strong>sverhaltens. Das Resultat<br />
zeigt, dass der Mensch das Verhalten anderer<br />
nachahmt. Eine andere Interpretation könnte sein,<br />
dass die Prozentangaben eine Art soziale Norm<br />
darstellen (Kap. V.5.2, S. 48).<br />
Die klassische Lerntheorie zeigt auf, dass ein Verhalten,<br />
das positive Konsequenzen nach sich zieht,<br />
zunehmend häufiger ausgeübt wird. Schnell fahren<br />
macht Spass – also macht man es <strong>im</strong>mer öfter,<br />
solange es keine negativen Konsequenzen hat.<br />
Negative Konsequenzen sind etwa <strong>Geschwindigkeit</strong>sbussen,<br />
Unfälle oder auch soziale Konsequenzen<br />
in Form von gesellschaftlicher Ächtung. Diese<br />
Theorie erklärt auch, warum unangepasste <strong>Geschwindigkeit</strong><br />
ein häufigeres Problem ist als das<br />
Überschreiten der Höchstgeschwindigkeiten. Für<br />
unangepasste <strong>Geschwindigkeit</strong> wird man nur selten<br />
durch die Polizei bestraft, da man die allgemeinen<br />
oder signalisierten Höchstgeschwindigkeiten<br />
eingehalten hat. Und solange man keinen Unfall<br />
erleidet, hat man kaum negative Konsequenzen –<br />
höchstens mal ein Reifenquietschen oder den temporären<br />
Verlust der Kontrolle über das Fahrzeug.<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 06 <strong>Geschwindigkeit</strong> aus unterschiedlicher Sicht 47