Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig ...

Digitale Bibliothek Braunschweig
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00042137
B R I E F E A. D. LET Z T E N J A H REN D. UNI VER S I T Ä T HEL M S TED T I 57
einem darüber für einen mächtigen Mann abgefassten Gutachten etwas vorgearbeitet
zu haben. Ich habe mir hier eine Bekanntschaft u. einen Einfluss
erworben, von welchem ich mir etwas versprechen darf. Hievon aber mündlich
zu seiner Zeit. - Aber alle meine übrigen Aussichten in die Zukunft
sind sehr trübe. Ich fuhr sehr fröhlich, oder wenigstens sehr kaltblütig nach
St. Cloud, zur Vorstellung aller Deputirten vor dem Könige von W[estfalen];
aber ich kehrte sehr schwermüthig zurück. Und ich bin seitdem gar nicht
heiter. Indessen muss man ertragen, was nicht zu ändern ist, und hoffen,
dass die Aussichten sich aufklären werden .... In diesem Augenblick erhalte
ich die Nachricht, dass wir noch heute dem Kaiser vorgestellt werden, u.
die noch angenehmere, dass wir nach Beendigung aller Feste, der Krönung,
Vermälung usw. wieder abreisen sollen; das heisst nach dem 23 oder 26sten
Aug. - Ich reisete lieber heute.... H.
I I. H. Ph. K. Henke an seine Frau (P. Z.).
Paris, am 17ten Aug. 18°7.
Gestern früh um 10 1 /2 Uhr waren alle Deputationen zum Kaiser bestellt.
Wir wurden durch einen mit den Bildnissen aller jetzigen Marschälle in
Lebensgrösse und mit Schildereyen ihrer Kriegsthaten geschmückten Saal
der Thuillerien in einen noch grössern geführt u. daselbst von dem Obristen
Morio l ) ebenso, wie vor unserer ersten Audienz bey dem Könige v. Westfalen
namentlich, und zwar in willkürlicher Ordnung der Provinzen aufgezeichnet.
... Nachdem eine grosse Anzahl von Herrn des höchsten Ranges
(Prinzen, Minister, Marschälle, Cardinäle p) vor uns vorbey in die innern
Zimmer des Kaisers gegangen u. noch viel mehrere vom zweyten Range
(Generale, Staatsräthe p) neben uns versammelt waren, forderte man uns
zum Kaiser. Er stand in Spanischer Prachtkleidung, den Hut auf dem Kopfe,
umgeben von einer auserlesenen Anzahl derer, die zuvor zu ihm gegangen
war. Hätten wir uns besser gestellt, so würde seine Unterhaltung mit uns
länger gedauert haben, u. sie wäre ihm selbst leichter geworden. Der Dompropst
v. Wendt aus Hildesheim hielt eine kurze Anrede in unser aller
Namen an den Kaiser, von der kein Mensch ein Wort verstand. Dann fragte
der Kaiser diesen u. jenen, der ihm zunächst stand, nach Namen, Vaterland p.
u. warf zwischen diese Fragen einige kern hafte SprUche u. Maximen, z. B.
Gleichviel, ob Protestant oder Katholik; Religion ist Sache des Gewissens,
u. nicht des Staats (diese u. ähnliche Gedanken wiederholte er mehrmal) ; die
kleinen Staaten taugen nicht; ihr werdet künftig ein grosses Reich ausmachen;
es soll bis Hamburg reichen; euer Militär soll euch zum Schutze u. nicht zur
Qual gereichen, wie das in Berlin, wo es nicht einmal die Bettler von den
Thoren abzuhalten taugte; kein Adel wird unter euch etwas gelten; wer sich
auszeichnet u. Verdienst hat, soll angestellt werden; die Könige sind nicht
') Joseph Morio, Adjutant Jeromes, später Kriegsminister etc.