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Moderne Rabbinerausbildung in Deutschland und Ungarn - Or-Zse

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Im ungarisch-jüdischen Kongress 1868/69, zwei Tage vor se<strong>in</strong>em Ende, beschlossen die<br />

anwesenden neologen Delegierten die Errichtung der Rabb<strong>in</strong>erschule. Sie betonten die<br />

Zentralität des Talmud <strong>und</strong> der juristische Ausbildung, zugleich aber sollten auch die<br />

wissenschaftlichen <strong>und</strong> kulturellen Erkenntnisse des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> den<br />

Lehrplan f<strong>in</strong>den. Zur konkreten Ausarbeitung des Lehrplans ernannte der Kongress<br />

e<strong>in</strong>en Ausschuss. 473<br />

Gegen die Arbeit des Ausschusses wurde fortwährend <strong>und</strong> bis<br />

zuletzt von ungarischer <strong>und</strong> ausländischer Seite scharf protestiert. Die Gegner führten<br />

ebenso theologische wie f<strong>in</strong>anzielle Argumente an.<br />

Das Wesen der Ause<strong>in</strong>andersetzungen um die Errichtung der Rabb<strong>in</strong>erschule fasste<br />

Josef Schweitzer folgendermaßen zusammen:<br />

"Das orthodoxe Judentum befürchtete, daß die Pester E<strong>in</strong>richtung die Brutstätte des<br />

Reformjudentums würde. Dies ist natürlich nicht e<strong>in</strong>getreten. Entsprechend dem Vorbild des<br />

Breslauer Rabb<strong>in</strong>ersem<strong>in</strong>ars folgte die pester Institution dem Gr<strong>und</strong>satz des הזהב ‏,שביל des<br />

goldenen Mittelweges, wie es von Majmunides bekannt ist. Man bemühte sich, die E<strong>in</strong>heit<br />

von strenger Glaubenspraxis <strong>und</strong> die Freiheit wissenschaftliche Forschung e<strong>in</strong>zuhalten.<br />

Dieser Geist durchdrang die Schüler der Institution. Diese Richtung bezeichnet man <strong>in</strong><br />

<strong>Ungarn</strong> als glaubenskonservativ." 474<br />

Die Landesrabb<strong>in</strong>erschule wurde am 4. Oktober 1877 eröffnet. Die Bedeutung dieses<br />

Ereignis lässt sich daran ermessen, dass an der Eröffnung die politischen Eliten des<br />

Landes mit hochrangigen Delegationen vertreten waren <strong>und</strong> damit ihr politisches<br />

Engagement signalisierten. Die Regierung selbst war durch den M<strong>in</strong>isterpräsidenten<br />

Kálmán Tisza <strong>und</strong> durch den M<strong>in</strong>ister für Religion <strong>und</strong> Bildungswesen, August Trefort,<br />

sowie durch den Staatssekretär Gedeon Tanárkay vertreten. Das Oberhaus war durch<br />

den obersten Richter des Landes, György Majláth sowie durch mehrere Abgeordnete<br />

vertreten. An dem denkwürdigen Ereignis nahmen Teil e<strong>in</strong>e Delegation der Hauptstadt<br />

unter Führung des Oberbürgermeisters Károly Ráth mit mehreren hauptstädtischen<br />

Abgeordneten, sowie der Rektor <strong>und</strong> Dekan der Universität der Wissenschaften<br />

Budapest (budapesti tudományegyetem). Des Weiteren waren zahlreiche religiöse <strong>und</strong><br />

pädagogische Institutionen vertreten: Die reformierten Hochschulen von Debrecen <strong>und</strong><br />

von Nagyenyed sowie die unitarische Hochschule von Klausenburg (Cluj), die<br />

evangelischen <strong>und</strong> die reformierten Geme<strong>in</strong>den von Budapest, das jüdisch—<br />

theologische Sem<strong>in</strong>ar aus Breslau, sowie die Berl<strong>in</strong>er "Lehranstalt [Hochschule] für die<br />

473 Dokument <strong>in</strong>: Blau, S. 125-139.<br />

474 József Schweitzer (nachfolgend Schweitzer), "Az <strong>Or</strong>szág Rabbiképző Intézet teológiai és halachikus<br />

irányáról", <strong>in</strong>: Schweitzer József (Hg.), "Uram nyisd meg ajkaimat". Válogatott tanulmányok és esszék,<br />

Budapest 2007, S. 59.<br />

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