Moderne Rabbinerausbildung in Deutschland und Ungarn - Or-Zse
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leider nicht verwirklicht. Die Festschrift schließlich bestand aus zwei Bänden, der erste<br />
Band umfasste wissenschaftliche Abhandlungen der vier Dozenten, der zweite enthielt<br />
Beiträge von früheren Sem<strong>in</strong>aristen.<br />
Die Feier wurde am 2. November 1929, mit e<strong>in</strong>em festlichen Schabbat-Gottesdienst <strong>in</strong><br />
der Sem<strong>in</strong>arsynagoge eröffnet. 284 Am Sonntag folgte e<strong>in</strong>e akademische Feier, deren<br />
Höhepunkt der Festvortrag von Dr. He<strong>in</strong>emann über "Die Idee des Jüdischtheologischen<br />
Sem<strong>in</strong>ars vor 75 Jahren <strong>und</strong> heute" bildete. 285 Dieser Festvortrag ist so<br />
gr<strong>und</strong>legend für das Verstehen des Judentums <strong>in</strong> dem damaligen Zeitgeist, dass<br />
nachfolgend e<strong>in</strong>ige Passagen aus der Rede zitiert werden.<br />
Nach der E<strong>in</strong>leitung betonte He<strong>in</strong>emann:<br />
"Die Idee des Jüdisch-theologischen Sem<strong>in</strong>ars, der Zacharias Frankel die ideelle, Jonas<br />
Fraenckel die materielle Gr<strong>und</strong>lage schuf, hob sich ab von der Idee der Talmudschule, auf<br />
welcher damals die Bildung der Rabb<strong>in</strong>er erfolgte, <strong>und</strong> von dem Plane e<strong>in</strong>er jüdischtheologischen<br />
Fakultät, der kurz zuvor aufgestellt worden war. Die Talmudschule sah ihre<br />
e<strong>in</strong>zige Aufgabe dar<strong>in</strong>, ihre Schüler geistig <strong>und</strong> seelisch tief verwurzeln lassen mit dem<br />
jüdischen, <strong>in</strong>sbesondere dem gesetzlichen Schrifttum. Jedes E<strong>in</strong>beziehen nicht-jüdischer Inhalte<br />
<strong>in</strong> den Bildungsgang hielten ihre Meister für überflüssig, ja, für schädlich <strong>und</strong> sündig. [...] Denn<br />
die völlige Isolierung des Judentums von se<strong>in</strong>er Umwelt erschien den Meistern der<br />
Talmudschule nicht nur unmittelbar geboten durch die religiöse Überlieferung, wie sie es<br />
auffaßten, sondern zugleich als die unerläßliche Voraussetzung für die Erhaltung der<br />
Lebenskraft <strong>und</strong> der Eigenart des Judentums. Im äußersten Gegensatz zu dieser Anschauung<br />
vertrat e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er, aber e<strong>in</strong>flussreicher Kreis neuzeitlich gebildeter Männer die Überzeugung,<br />
daß das Judentum weitgehender 'Reform' bedürfe <strong>und</strong> nur durch starke Anpassung an die<br />
geistigen Bewegungen der Umwelt e<strong>in</strong>e Dase<strong>in</strong>smöglichkeit <strong>und</strong> Dase<strong>in</strong>srecht <strong>in</strong>nerhalb der<br />
neuen Zeit erwerben könne. […] Beiden Richtungen geme<strong>in</strong>sam war der Glaube an die<br />
Unversöhnlichkeit des Judentums <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er geschichtlichen Ersche<strong>in</strong>ung mit der Weltkultur.<br />
Aber wenn die e<strong>in</strong>en die Wissenschaft ächteten, um das Judentum zu erhalten, die anderen das<br />
Judentum umbilden wollten, um es kulturfähig zu machen, vertrat Frankel das Recht der<br />
Wissenschaft im Judentum <strong>und</strong> das Recht des geschichtlichen Judentums <strong>in</strong>nerhalb der<br />
Kultur." 286 He<strong>in</strong>emann schließt se<strong>in</strong>e Ausführungen über die Vergangenheit: "Der Glaube an<br />
die geschichtliche Ersche<strong>in</strong>ung des Judentums <strong>und</strong> an die strenge Wissenschaft als deren<br />
Pfleger<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d also die Gr<strong>und</strong>lagen der Idee des Sem<strong>in</strong>ars."<br />
Nach 75 Jahren fragt He<strong>in</strong>emann: "Dürfen wir als K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>er völlig veränderten Zeit<br />
uns bekennen zu jenem Glauben Frankels an das Recht des Judentums <strong>in</strong> der Kultur <strong>und</strong><br />
das Recht der Wissenschaft im Judentum? Bedeutet es nicht e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>neren Widerspruch,<br />
wenn wir uns als Glieder der allgeme<strong>in</strong>en Kulturwelt fühlen <strong>und</strong> doch <strong>in</strong><br />
irgendwelchem S<strong>in</strong>ne am eigentümlich jüdischen Sonderse<strong>in</strong> festhalten wollen?"<br />
284 Jahresbericht 1929, S. 17.<br />
285 Die Festrede erschien zuerst im Jahresbericht 1929, S. 34-48.<br />
286 Heraushebung durch den Redner.<br />
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