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Moderne Rabbinerausbildung in Deutschland und Ungarn - Or-Zse

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Nachdem sich die militärischen Entwicklungen <strong>in</strong> der zweiten Hälfte des Jahres 1848<br />

überschlagen haben, berichteten die Korrespondenten aus <strong>Ungarn</strong> seltener. Die<br />

militärische Niederlage im Freiheitskrieg <strong>und</strong> die drohenden Strafmaßnahmen<br />

zeichneten sich ab, die Juden <strong>Ungarn</strong>s haben aber ihre Zuneigung zum Magyarentum<br />

nicht revidiert.<br />

Am 26. Mai 1849 berichtete Der <strong>Or</strong>ient aus Pest: "Die Begeisterung der hiesigen Israeliten für<br />

die Freiheit <strong>Ungarn</strong>s, ihre unmittelbare Beteiligung am Kampfe <strong>und</strong> ihre großen Opfer s<strong>in</strong>d von<br />

großer Bedeutung. Sie haben dadurch bewiesen, dass sie vollkommen <strong>in</strong> den Magyaren<br />

aufgegangen s<strong>in</strong>d. Am merkwürdigsten ist bei den ungarischen Israeliten die Aneignung der<br />

magyarischen Sprache [...]. Man hört schon die das magyarische Wort von der Kanzel tönen,<br />

das Verständnis des Magyarischen ist ziemlich allgeme<strong>in</strong>, die Gebete, die heilige Schrift<br />

zirkulieren <strong>in</strong> magyarischer Sprache [...]. Die Juden s<strong>in</strong>d nun echte Magyaren-K<strong>in</strong>der, sie<br />

fühlen, streben, kämpfen, betätigen sich für <strong>Ungarn</strong>s große herrliche Zeit. Die Scheidewand der<br />

Sprache <strong>und</strong> Sitte ist gefallen, <strong>und</strong> die edlen Magyaren wissen dies zu schätzen [...].“ 146<br />

Die orthodoxe Presse, d.h. Der Treue Zionswächter, der über die Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />

<strong>in</strong> <strong>Ungarn</strong> 1848 nicht berichtete, veröffentlichte nunmehr ausführlich e<strong>in</strong>e Mitteilung<br />

aus Neustadt an der Waag/Vágújhely (Nové Mesto nad Váhom), die triumphierend auf<br />

die bevorstehende Niederlage h<strong>in</strong>wies. Die Reformer unter den ungarischen Juden<br />

hätten geglaubt, dass die drei schönen Worte Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit der<br />

Hebel zur Gleichstellung wären. Man wollte nicht nur auf politischem, sondern auch auf<br />

religiösem Gebiet frei se<strong>in</strong>. Man hätte geglaubt, leichter emanzipiert zu werden, wenn<br />

man die religiösen Schranken aufhebe <strong>und</strong> die Sonderstellung durch Vernichtung der<br />

uralten Gebräuche <strong>und</strong> zeremoniellen Satzungen beseitige: "Doch anders drehte sich die<br />

Wetterfahne Israels, es war von Oben beschlossen. Die von den Neologen als<br />

Messiasruf deklarierten drei Worte Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit hätten die<br />

übelsten Folgen für die ungarischen Glaubensbrüder nach sich gezogen. An Reformen<br />

sei hier nicht mehr zu denken, die Neologensucht sei jetzt im Ke<strong>in</strong>e erstickt." 147<br />

Der Sieg Österreichs über das liberal-freiheitliche <strong>Ungarn</strong> hatte auch auf religiösem<br />

Gebiet reaktionäre Folgen. Reform wurde sowohl <strong>in</strong> der Politik als auch <strong>in</strong> der Religion<br />

zu e<strong>in</strong>em Tabuthema. Die jüdischen Reformvere<strong>in</strong>e wurden von der österreichischen<br />

Herrschaft aufgelöst oder lösten sich von selbst auf.<br />

Die deutsch-jüdische, reformierte Presse sah sich e<strong>in</strong>em Scherbenhaufen ihrer Politik<br />

gegenüber: Das von ihnen geförderte Engagement für die ungarische Nationalität hatte<br />

146 Der <strong>Or</strong>ient, 26. Mai 1849, S. 103-104.<br />

147 Der Treue Zionswächter, Bericht vom 15. Mai 1849, S. 173f.<br />

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