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Moderne Rabbinerausbildung in Deutschland und Ungarn - Or-Zse

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Forschungen h<strong>in</strong>zukommenden Wissensgebiete anzubauen. Unentbehrlich sei ferner e<strong>in</strong>e<br />

Anleitung zur öffentlichen Volksbelehrung <strong>und</strong> zur Belehrung der Jugend." 212<br />

Frankel war, religiös gesehen, weder Reformer noch <strong>Or</strong>thodox. Konservativ e<strong>in</strong>gestellt,<br />

brachte er e<strong>in</strong>e tiefe Verehrung für das geschichtlich Gewordene mit <strong>und</strong> sah <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

"gemäßigten Reform", die nicht e<strong>in</strong>reißen, sondern aufbauen wollte, die passende<br />

E<strong>in</strong>stellung für Gegenwart <strong>und</strong> Zukunft. Se<strong>in</strong>en Anschauungen <strong>und</strong> Überzeugungen<br />

nach war er e<strong>in</strong> Mann der Mitte, der tief <strong>in</strong> der Überlieferung des talmudischen<br />

Judentums wurzelte, sich aber dennoch den Anforderungen der Gegenwart nicht<br />

verschließen wollte.<br />

Das Rückgrat des historischen Judentums war für Frankel die Halacha, <strong>und</strong> diese stand<br />

daher im Mittelpunkt se<strong>in</strong>er Studien. Nach Frankel ist die Halacha von der Zeit der<br />

Grossen Versammlung (Synhedrion, ‏(סנהדרין angefangen bis zur Redaktion der Mischna<br />

durch die Geistesarbeit der Weisen allmählich entstanden. Die Erklärungen <strong>und</strong><br />

Auslegungen der <strong>in</strong> der Tora geschriebenen Gesetze durch die Weisen bilden den Kern<br />

der mündlichen Überlieferung. Die Tradition, d.h. der traditionelle Stoff <strong>und</strong> die<br />

Auslegungsweise s<strong>in</strong>d demnach nicht unmittelbar s<strong>in</strong>aitisch (geoffenbart), also nicht<br />

e<strong>in</strong>e Art Zusatz zur schriftlichen Lehre, sie haben vielmehr e<strong>in</strong>e historische<br />

Entwicklung durchgemacht. 213<br />

Diese Leitgedanken von Frankel standen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em unüberbrückbaren Gegensatz zu der<br />

Gedankenwelt der <strong>Or</strong>thodoxie. Die <strong>Or</strong>thodoxen vertreten die Ansicht, dass alle<br />

Deutungen gleich der so genannten הלכה למשה מסיני s<strong>in</strong>aitischen Ursprungs seien.<br />

Den <strong>Or</strong>thodoxen war folglich e<strong>in</strong> nach den Gr<strong>und</strong>sätzen Frankels geleitetes<br />

Rabb<strong>in</strong>ersem<strong>in</strong>ar suspekt. Es kam daher das Bedürfnis nach Gründung e<strong>in</strong>es orthodoxen<br />

Rabb<strong>in</strong>ersem<strong>in</strong>ars auf. Genau e<strong>in</strong> solches Institut hatte Esriel Hildesheimer <strong>in</strong> <strong>Ungarn</strong><br />

angestrebt, nur hatte er dort den Kampf für se<strong>in</strong>e Ideen nach zwei Fronten führen<br />

müssen, nämlich gegen Reformer <strong>und</strong> <strong>Or</strong>thodoxe gleichermaßen. Die ersteren fühlten<br />

sich durch se<strong>in</strong>e programmatische Forderung vor den Kopf gestoßen, die letzteren<br />

wiederum sahen <strong>in</strong> der von Hildesheimer geforderten Vermittlung von<br />

Allgeme<strong>in</strong>bildung – trotz se<strong>in</strong>er persönlichen Frömmigkeit <strong>und</strong> anerkannten<br />

talmudischen Gelehrsamkeit – e<strong>in</strong>e gefährliche Neuerung.<br />

212 Brann, S. 51. Siehe auch MGWJ 3 (1854), S. 126ff.<br />

213 S. hierz auch L. Dobschütz, "Frankels E<strong>in</strong>leitung <strong>in</strong> die Mischna", <strong>in</strong>: MGWJ (1901), S. 262-278.<br />

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