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Moderne Rabbinerausbildung in Deutschland und Ungarn - Or-Zse

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ause<strong>in</strong>andergesetzen. 62 Auf christlicher Seite ist e<strong>in</strong>e Tendenz zum Germanozentrismus<br />

zu erkennen, auf jüdischer Seite plädierte man h<strong>in</strong>gegen mehrheitlich für e<strong>in</strong>e<br />

Gleichberechtigung mit der benachbarten Gesellschaft unter Beibehaltung der religiösen<br />

Identität.<br />

Der vorhandene Judenhass äußerte sich <strong>in</strong> den sog. „Hep-Hep“-Unruhen, beg<strong>in</strong>nend im<br />

August 1819 <strong>in</strong> Würzburg. In Preußen konnten die Behörden die Unruhen noch im<br />

Keim ersticken, doch es zeichnete sich bereits damals ab, dass ke<strong>in</strong>e Fortschritte <strong>in</strong> den<br />

Emanzipationsbemühungen mehr zu erzielen waren. Auch die antijüdische Agitation<br />

wurde stärker spürbar. E<strong>in</strong> Beispiel dafür ist der liberale Heidelberger Theologe<br />

He<strong>in</strong>rich E. G. Paulus (1761-1851). 63 Paulus fragte, warum man denn Juden eigentlich<br />

<strong>in</strong> Positionen gelangen lassen sollten, <strong>in</strong> denen sie nichtjüdischen Staatsbürgern<br />

überlegen se<strong>in</strong> könnten, wenn doch überall dort, wo Juden lebten, e<strong>in</strong>e „allgeme<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>st<strong>in</strong>ktmäßige Abneigung“ gegen sie vorhanden sei? 64<br />

Gabriel Rießer, der große Kämpfer für die jüdische Gleichberechtigung, gab Paulus<br />

hierauf zur Antwort: „Der Anspruch des Menschen an den Staat, dem er angehört, ist<br />

se<strong>in</strong> Anspruch auf Bürgerrecht.“ 65<br />

Laut Jakob Katz hat "die These, daß die antijüdischen Unruhen auf e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e<br />

gesellschaftliche Unzufriedenheit zurückzuführen s<strong>in</strong>d, […] <strong>in</strong> der modernen<br />

Geschichtsforschung ihren <strong>Or</strong>t gef<strong>und</strong>en, … aber diese These wird jedoch von den<br />

Fakten widerlegt." 66 Se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach wurden die antijüdischen Unruhen lange Zeit<br />

vorher von der antijüdischen Propaganda vorbereitet. Er folgert daher:<br />

"Damit ist deutlich, daß die Verbesserungen im Status der Juden, seit der Zeit, als sie das<br />

Ghetto verließen, nur formale Verbesserungen waren. Sie führten nicht dazu, daß Juden<br />

gesellschaftlich nicht länger verletzbar waren … Immer noch war die Beziehung zwischen der<br />

jüdischen Geme<strong>in</strong>schaft <strong>und</strong> ihrer nichtjüdischen Umgebung durch e<strong>in</strong> schweres Erbe <strong>und</strong> durch<br />

soziale Spannungen belastet … Die Unruhen von 1819, die sich ausschließlich gegen Juden<br />

richteten, zeigen, wie tief die Trennung noch war. Obwohl sie nur von bestimmten Gruppen der<br />

62 Jersch-Wenzel, S. 39.<br />

63 He<strong>in</strong>rich Eberhard Gottlob Paulus, Die jüdische Nationalabsonderung nach Ursprung, Folgen <strong>und</strong><br />

Besserungsmitteln, Heidelberg 1831.<br />

64 Ebd., S. 20.<br />

65 Gabriel Rießer, Vertheidigung der bürgerlichen Gleichstellung der Juden gegen die E<strong>in</strong>würfe des Herrn<br />

Dr. H. E. G. Paulus. Den gesetzgebenden Versammlungen <strong>Deutschland</strong>s gewidmet, Altona 1831,<br />

abgedruckt <strong>in</strong>: G. Rießer’s Gesammelte Schriften, hg. v. M. Isler, Frankfurt a.M./Leipzig 1867, Bd. 2, S.<br />

181 f.<br />

66 Katz, Vorurteil, S. 104–105.<br />

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