08.05.2014 Aufrufe

Moderne Rabbinerausbildung in Deutschland und Ungarn - Or-Zse

Moderne Rabbinerausbildung in Deutschland und Ungarn - Or-Zse

Moderne Rabbinerausbildung in Deutschland und Ungarn - Or-Zse

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

4.2 Die Wissenschaft des Judentums<br />

Das Judentum des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts ist untrennbar mit dem Begriff "Wissenschaft des<br />

Judentums", oder auf Hebräisch ישראל ‏,חכמת verb<strong>und</strong>en. 209<br />

Geprägt wurde der Begriff von Eduard Gans (1798– 1839) <strong>und</strong> Immanuel Wolf. Der<br />

erstere gehörte wie Leopold Zunz (1794–1886) zu den Gründern des "Vere<strong>in</strong>s für<br />

Cultur <strong>und</strong> Wissenschaft der Juden", e<strong>in</strong> Zusammenschluss von jungen jüdischen<br />

Intellektuellen, die davon überzeugt waren, dass Wissenschaftlichkeit das Merkmal des<br />

modernen Zeitalters sei. Der Vere<strong>in</strong> wollte vor allem beweisen, dass Judentum <strong>und</strong><br />

Wissenschaft ke<strong>in</strong>e Gegensätze, sondern durchaus mite<strong>in</strong>ander vere<strong>in</strong>bar seien. E<strong>in</strong><br />

ähnliches Argument hatte se<strong>in</strong>erzeit bereits Moses Mendelssohn (1729–1786)<br />

vorgebracht. Zur Verbreitung der Ideen des Vere<strong>in</strong>s gründete Zunz die Zeitschrift für<br />

die Wissenschaft des Judentums.<br />

Zacharias Frankel (1801–1875) brachte <strong>in</strong> dem von ihm geleiteten Jüdisch-<br />

Theologischen Sem<strong>in</strong>ar <strong>in</strong> Breslau die Idee der "Wissenschaft des Judentums" <strong>in</strong> der<br />

<strong>Rabb<strong>in</strong>erausbildung</strong> zur praktischen Anwendung. In se<strong>in</strong>em 1859 verfassten<br />

wissenschaftlichen Werk דרכי המשנה wies er darauf h<strong>in</strong>, dass es <strong>in</strong> der Mischna Gesetze<br />

gäbe, die nicht geoffenbart, sondern Neuerungen der Rabb<strong>in</strong>en selbst waren. Der<br />

Pentateuch blieb von e<strong>in</strong>er ähnlichen Untersuchung ausgeschlossen. Als Kern der<br />

direkten göttlichen Offenbarung war er nach Frankels Me<strong>in</strong>ung tabu. Frankels<br />

Standpunkt glich jenem des zeitgenössischen italienischen Gelehrten Samuel David<br />

Luzatto (1800 – 1865). Auch für Luzatto galt nur jene Wissenschaft als wahre, die auf<br />

dem jüdischen Glauben beruhte.<br />

Abraham Geigers (1810–1874) Denken bewegte sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ähnlichen Richtung,<br />

unterschied sich jedoch von denen von jenem Frankels zum e<strong>in</strong>en durch se<strong>in</strong>e<br />

Bereitschaft, die Wissenschaft auf sämtliche jüdische Texte anzuwenden, also auch auf<br />

den Pentateuch, <strong>und</strong> zum anderen durch ihre vorsätzliche Anwendung für die religiöse<br />

Reform. Die jüdische Wissenschaft zeige die geschichtliche Anpassungsfähigkeit des<br />

Judentums auf, folglich könne man also mit denselben Mitteln das Judentum bewusst<br />

weiterentwickeln <strong>und</strong> auf diese Weise die jüdische Identität <strong>in</strong> der modernen Welt<br />

erhalten.<br />

209 Carlebach , s. Anm. 49.<br />

64

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!