Doku-Rituelle Gewalt 24.06.2010 - Diakonie Rheinland-Westfalen ...
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Fachtagung <strong>Rituelle</strong> <strong>Gewalt</strong> 2010<br />
terpretation von archäologischen Befunden haben zunehmend deutlich<br />
gemacht, dass rein aufgrund des archäologischen Befundes in den aller-<br />
meisten Fällen nicht entschieden werden kann, ob es sich bei einem aus-<br />
gegrabenen Knochenfund, selbst wenn er rituell angeordnet sein sollte,<br />
um Überreste eines Opferrituals, einer Strafexekution, einer Schlacht oder<br />
gar eines Raubmordes handelt, oder ob vielleicht nur eine Sekundärbe-<br />
stattung, d. h. die Zweitbestattung aus einem Grab zusammen gesammel-<br />
ter Knochen an anderer Stelle, vorliegt. Daher ist nur in solchen Fällen, in<br />
denen Indizien einigermaßen zweifelfrei auf einen ideologischen Hinter-<br />
grund des betreffenden Todesfalles hinweisen, mit einiger Sicherheit von<br />
einem Opfer auszugehen. Solche zusätzlichen Informationen können ar-<br />
chäologischer Natur oder aber Texte sein, die aus der betreffenden Kultur<br />
selbst oder von auswärtigen Beobachtern stammen.<br />
Als Beispiel für ein gut belegtes Menschenopfer16 gilt weithin der Befund<br />
von Anemospilia: der mit Kehlschnitt getötete junge Mann lag auf einem<br />
altarähnlichen Tisch im Nebenraum eines Gebäudes, das aufgrund zahl-<br />
reicher Opfergefäße und der Basis eines Altars einwandfrei als Tempel<br />
identifiziert werden kann, und der Behälter mit seinem Blut ist aufgrund<br />
seiner Bemalung als Opfergefäß erkennbar. Die Tatsache, dass das Opfer<br />
von einem Erdbeben gestört wurde, macht es sehr wahrscheinlich, dass<br />
die Verhinderung des Erdbebens der Zweck des Opfers war.<br />
Im Falle der Schwangeren von Garton Slack haben wir es mit dem Um-<br />
stand zu tun, dass die Frau ihre Frühgeburt dort hatte, wo man sie aus-<br />
grub, d. h. sie hat bei der Entbindung in ihrem Grab gelegen, und das<br />
kann nur bedeuten, dass sie nach ihrer Verbringung an diesen Ort noch<br />
gelebt hat, also lebend bestattet wurde. Allerdings ist damit zwar der ge-<br />
waltsame Tod, aber noch keine Opferung bewiesen; diese wäre nur aus<br />
zusätzlichen Indizien zu schließen.<br />
Besonders interessant ist die Frage der Nachweisbarkeit bei Altamerika.<br />
Für die Azteken und Mayas in Mesoamerika versucht Peter HASSLER in sei-<br />
ner Bonner Dissertation17 zu belegen, dass die Menschenopferberichte<br />
von CORTÉS und anderen spanischen Zeitzeugen aus der Eroberungszeit<br />
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