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Doku-Rituelle Gewalt 24.06.2010 - Diakonie Rheinland-Westfalen ...

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Fachtagung <strong>Rituelle</strong> <strong>Gewalt</strong> 2010<br />

Äußere Motive. Wenn wir uns nun mit der Motivation für Menschenopfer<br />

beschäftigen, dann sollen zwei grundsätzliche Kategorien von Motiven un-<br />

terschieden werden. Die eher "äußeren“ Motive hängen mit dem rituellen<br />

Zweck des Opfers in der Außenwelt zusammen. Verglichen mit anderen<br />

möglichen Opfergaben ist das Menschenopfer die höchste und kostbarste<br />

Gabe an die Götter, die für notwendig gehalten wird, wenn es um etwas<br />

wirklich Wichtiges geht, z. B. die Rettung eines Menschen oder einer<br />

Gruppe. Die Rettung erfolgt dadurch, dass man sozusagen der Gottheit<br />

einen Ersatz bietet: einen Menschen oder eine Gruppe, auf die man eher<br />

verzichten zu können meint als auf den zu rettenden Menschen oder die<br />

zu rettende Gruppe.<br />

Meiner Auffassung nach entstammt diese Idee jenem Zusammenhang,<br />

den ich als "Ur-Opfererfahrung" des Menschen bezeichnen möchte: der<br />

Bedrohung der Menschen durch Raubtiere, die die gesamte Menschheits-<br />

geschichte hindurch präsent gewesen ist. Eine unzureichend bewaffnete<br />

Menschengruppe kann sich vor angreifenden Raubtieren schützen, indem<br />

sie ihnen ein Mitglied der Gruppe ausliefert, also „opfert". Es ist sehr gut<br />

möglich, dass der Glaube an die Wirksamkeit des Opfers auf diese<br />

menschliche Urerfahrung zurückgeht. Das religiöse Opfer wäre dann eine<br />

Gabe an eine Gottheit, die wie ein Raubtier ein Fleischfresser ist21. Und<br />

diese Gabe wird "als Rettungs- oder Heilstat des Geopferten für die op-<br />

fernde Gemeinschaft und damit als absolut notwendige Handlung interpre-<br />

tiert"22. Das Motiv für ein Menschenopfer ist somit die Rettung der Ge-<br />

meinschaft oder eines ihrer wichtigen einzelnen Repräsentanten vor Un-<br />

glück, sie es vor Krankheit, Tod, Krieg oder Naturkatastrophen.<br />

Innere Motive. Zur äußeren Motivation kommt jedoch die innere, und die-<br />

se richtet sich auf die Empfindungen und Gefühle, die die Opfernden an<br />

sich selbst erfahren: einerseits jene Gefühle, die den Wunsch nach einem<br />

Menschenopfer auslösen, andererseits solche, die durch das Erleben des<br />

Rituals bewirkt werden können. Zu den das Menschenopfer auslösenden<br />

Gefühlen gehört ganz zweifellos die Angst, "sei es die Angst in einer kon-<br />

kreten Gefahrensituation, sei es die vor einer unbekannten künftigen Be-<br />

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