Doku-Rituelle Gewalt 24.06.2010 - Diakonie Rheinland-Westfalen ...

5. Konsequenzen?
Fachtagung Rituelle Gewalt 2010
Religion und Therapie. Welche Bedeutung kann die religionswissen-
schaftliche Erforschung ritueller Gewalt für unseren Umgang mit dem
Phänomen und mit den Überlebenden haben? Zunächst ist die mögliche
Wichtigkeit der Transzendenzerfahrung für Überlebende Ritueller Gewalt
ein Umstand, der für die Therapie von Bedeutung sein könnte. Wenn The-
rapeutInnen aus der destruktiven Wirkung ritueller Gewalt auf die Spiritua-
lität der Opfer, die laut einer Umfrage für viele Überlebende die verhee-
rendste Folge ihres Martyriums darstellt45, den zunächst naheliegenden
Schluss ziehen, dass Religion von der Therapie am besten völlig fern-
gehalten werde und dass sie schon gar nicht notwendig sei für eine gelin-
gende Therapie, dann ist das vermutlich in vielen Fällen eher ein Irrtum.
Der hohe Anteil von 75 Prozent Überlebenden, die sich laut einer anderen
Umfrage als religiös einstufen46, deutet darauf hin, wie wenig Rituelle Ge-
walt offenbar in der Lage ist, das grundsätzliche religiöse Bedürfnis der
Opfer ganz zu zerstören. Dieses Bedürfnis, das in missbrauchenden Kul-
ten ausgebeutet und fehlgeleitet, aber nicht zum Schweigen gebracht
wurde, kann und sollte in vielen Fällen auch in der Therapie eine Rolle
spielen, wie es die Pastorin und Therapeutin Gabriele LADEMANN-PRIEMER
betont47:
„Die Menschen … suchen ein Gespräch, in dem sie unter anderem offen
über religiöse Fragen sprechen und die Frage nach Gott ungeschützt
stellen können. Ich spreche religiöse Fragen nicht von mir aus an. Die
Ratsuchenden sind erleichtert, dass das Thema Religion weder patholo-
gisiert noch allein unter dem Gesichtswinkel der Projektion verhandelt
wird. Zweifelsfrei spielen Projektionen menschlicher Erfahrungen eine
große Rolle bei den Gottesbildern, die wir in uns haben. … Die Gottes-
bilder darauf zu reduzieren ist jedoch nicht allein ein theologisches Prob-
lem, sondern bewirkt auch, dass sich die Ratsuchenden nicht ernst ge-
nommen fühlen. .... Ich behaupte, dass die Frage nach Gott ein wichtiger
Bestandteil auf dem Weg zur Heilung oder wenigstens zum Umgang mit
Lebensproblemen ist.“
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