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Doku-Rituelle Gewalt 24.06.2010 - Diakonie Rheinland-Westfalen ...

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Fachtagung <strong>Rituelle</strong> <strong>Gewalt</strong> 2010<br />

ralisierung von <strong>Gewalt</strong>. Wichtig erscheint mir die Feststellung zu sein, dass der<br />

Bezug ritualisierter Formen auf Religion durch eine nicht beherrschbare Sehnsucht<br />

nach Selbsttranszendenz begleitet ist, durch die ein unaufgebbares Bedürfnis<br />

nach Religiosität zum Ausdruck kommt. Herrmann-Pfandt benennt dieses<br />

Bedürfnis treffend so:<br />

„Die Sakralisierung der <strong>Gewalt</strong>, die wir in irgendeiner Form in so gut wie jeder<br />

Religion finden, hatte (…) ihren Ursprung in der Suche des Menschen nach<br />

Selbsttranszendenz. Aspekte dieser Selbsttranszendenz sind die Selbstvergottung<br />

mit den beiden Aspekten der absoluten Macht über Leben und Tod und<br />

der Unsterblichkeit, die beide in der Identifikation mit der tötenden Gottheit angestrebt<br />

werden.“ 1<br />

Dieses so formulierte religiöse Bedürfnis hat meines Erachtens einen herausragenden<br />

Stellenwert bei der Interpretation ritueller <strong>Gewalt</strong> unter Bezug auf eine<br />

satanistische (Hintergrund-)ideologie, weil es nämlich das gleiche Bedürfnis<br />

benennt, das im Kontext eines destruktiven Kultes wirksam ist bzw. sein kann. 2<br />

Die von Herrmann-Pfandt genannten Unterschiede zwischen ritueller <strong>Gewalt</strong> in<br />

den Hochkulturen und im modernen Satanismus hinsichtlich der äußeren Motive<br />

(Öffentliche Teilnahme versus Arkandisziplin in einer geschlossenen Gruppe;<br />

Ehrung des Opfers versus Demütigung des Opfers; Schonung des Opfers<br />

vor Schmerz versus sadistische <strong>Gewalt</strong>anwendung am Opfer) und der inneren<br />

Motive (angstauflösender Machtrausch versus bedingungsloses Streben nach<br />

Macht; innere Erregung und Mitgefühl beim fließenden Blut versus blutrünstige<br />

Inhumanität) möchte ich noch durch ein grundsätzlich anderes Verständnis des<br />

„Opfers“ bzw. der „Opferung“ beim satanistisch motivierten Vollzug ritueller <strong>Gewalt</strong><br />

ergänzen.<br />

Im Selbstverständnis satanistischer Traditionslinien 3 , die – soweit hier von einem<br />

Satanismus als Gegenpart der christlichen Religion gesprochen werden<br />

kann 4 – bemüht sind, sich vom Christentum zu unterscheiden, dient das „Opfer“<br />

nicht dem Ausgleich zwischen Mensch und Gott für Übertretungen seines<br />

Machtbereichs (Sühne bzw. Strafe) und der von Gott gestifteten Ordnung.<br />

Vielmehr dient das Opfer 5 im satanistischen Ritual der Bestätigung einer niemals<br />

gestörten Beziehung des Opfernden und des Geopferten zu Satan. Sie<br />

partizipieren beide – wie auch die anderen Mitglieder der Kultgemeinschaft – an<br />

der Macht, die durch Satan symbolisiert wird, in dem sie sich zu Werkzeugen<br />

(Helfer, Diener) dieser Machtausübung machen. 6 In diesem Sinn bestätigen<br />

1 Vortragsmanuskript Herrmann-Pfandt „Was ist das Religiöse an <strong>Rituelle</strong>r <strong>Gewalt</strong> ?“, S. 53.<br />

2 Vgl. Fügmann, Dagmar: Zeitgenössischer Satanismus in Deutschland, S. 306 – 309, hier: S. 307 (Fall<br />

C 20); vgl. ebd., S. 220 – 226, hier besonders S. 221 (Fall T001).<br />

3 Vgl. Fügmann, Dagmar: Zeitgenössischer Satanismus in Deutschland, S. 79 – 86 (Church of Set), S.<br />

126 – 130 (Temple of Set), S. 131 – 135 (In Nomine Satanas), S. 155 – 159 (Current of Set); ein guter<br />

Überblick verschafft auch: Schmidt, Joachim: Satanismus, S. 140 – 196.<br />

4 Ich möchte mich an dieser Stelle auf eine satanistische Ideologie im Kontext einer christlichen Kultur<br />

beschränken, An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es im Judentum und im Islam eigene<br />

„Satansvorstellungen“ und entsprechende „satanistische“ Gruppen bzw. Bewegungen gibt. Zur<br />

Übersicht empfehle ich, sich anhand der Primär- und Sekundärliteratur unter<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/satanismus.htm weiter zu informieren.<br />

5 Vgl. Palaver, Wolfgang: Religion und <strong>Gewalt</strong>. Walter Burhart und Rene Girad im Vergleich, in: Bierl,<br />

Anton & Braungart, Wolfgang (Hg.): <strong>Gewalt</strong> und Opfer, S. 247 – 266, hier insbesondere: S. 250 –<br />

252.<br />

6 Vgl. Fügmann, Darmar: Zeitgenössischer Satanismus in Deutschland, S. 216 (Fall EI05) und S. 212<br />

(Fall EI10); vgl. auch zum ideologischen Hintergrund: Jaeger, Hartmut & Pletsch, Joachim (Hg.): Das<br />

Böse ist unter uns, S. 32 – 35.<br />

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