Doku-Rituelle Gewalt 24.06.2010 - Diakonie Rheinland-Westfalen ...
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Fachtagung <strong>Rituelle</strong> <strong>Gewalt</strong> 2010<br />
Arkandisziplin contra Öffentlichkeit. Die früheren Menschenopfer dien-<br />
ten dem Heil oder der Rettung der Gesamtheit des Volkes oder eines ihrer<br />
Repräsentanten und wurden daher von allen gemeinsam durchgeführt<br />
oder verantwortet; diese Rituale waren öffentliche Ereignisse, zu denen<br />
manchmal, z. B. bei den Azteken, sogar Vertreter der Nachbarstaaten zum<br />
Zuschauen eingeladen wurden, angeblich, damit sie durch die Macht der<br />
Aztekenherrscher eingeschüchtert wurden34.<br />
Die Allgemeinheit, für die satanistische Opfermenschen sterben, ist viel<br />
kleiner: sie umfasst nur die Ritualgruppe. Und im schärfsten Gegensatz<br />
zur Öffentlichkeit traditioneller Menschenopfer steht im heutigen Satanis-<br />
mus die Arkandisziplin.<br />
Dieser Unterschied ist natürlich vor allem der Tatsache geschuldet, dass<br />
die moderne Gesellschaft rituelle Menschenopfer nicht mehr als taugliche<br />
Mittel ansieht, um gesamtgesellschaftliche Ziele religiös oder symbolisch<br />
zu unterstützen. Jedoch vollziehen auch Satanisten ganz offenbar ihre Ri-<br />
tuale nicht zu dem Zweck, einem gesamtgesellschaftlichen Guten zu die-<br />
nen, sondern mit ausdrücklicher Beziehung nur auf sich selbst. Eine ge-<br />
samtgesellschaftlich orientierte Motivation fällt also auch bei denen weg,<br />
die am Menschenopfer als einer tauglichen religiösen Betätigung festhal-<br />
ten; sie tun dies offensichtlich nicht für andere, sondern nur für sich selbst.<br />
Demütigung contra Ehrung. Damit hängt die unterschiedliche Bewertung<br />
des Rituals durch seine Opfer zusammen. Bei den Azteken z. B. gehörte<br />
das Geopfert werden zu den ehrenvollsten Formen des Todes, und wer<br />
auf dem Opferstein oder im Krieg (bei Frauen: im Kindbett) gestorben war,<br />
kam in einen besseren Himmel als die anderen Menschen35. Auch die Op-<br />
ferkinder der Inkas wurden vor und nach ihrem Tode außerordentlich ge-<br />
ehrt und gut behandelt. Der hinduistischen Witwe, die sich für die Toten-<br />
folge entschieden hatte, blieben zwischen dem Tode ihres Ehegatten und<br />
ihrer gemeinsamen Verbrennung mit ihm bis zu 24 Stunden, in denen – in<br />
der Regel zum ersten mal in ihrem Leben - alle ihr gehorchen mussten,<br />
und nach ihrem Tode wurde sie zur Göttin mit Tempelkult und Heiligenbil-<br />
dern.<br />
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