"Jugend und Gesundheit" (pdf) - Robert Bosch Stiftung
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Podiumsdiskussion<br />
unsere Auszubildenden die K<strong>und</strong>en. Wenn ich auf der einen Seite diesen Blickwinkel<br />
als Mitarbeiter der Telekom habe, <strong>und</strong> schaue mir auf der anderen Seite an,<br />
wie erleben das meine Kinder, dann habe ich schon sehr oft festgestellt, daß dieser<br />
K<strong>und</strong>engedanke eigentlich nicht gegeben ist. Und ich vermisse ihn. Wenn ich in<br />
ein Geschäft gehe, dann habe ich die Erwartung, daß ich eine entsprechende<br />
Fachberatung bekomme, weil ich ein Produkt kaufen will, mit dem ich einem<br />
Mangel abhelfe. Ich möchte ernst genommen werden mit meinen Belangen. Ich<br />
bin mir nicht sicher, ob der Schüler durchweg dieses Gefühl des Ernstgenommenseins<br />
in der Schule hat.<br />
Günter Gerstberger:<br />
Freilich kann sich der normale Schüler seinen „Dienstleister“ nicht aussuchen. Er<br />
hat ja nicht die Möglichkeit der freien Wahl. Es ist ein faszinierender Gedanke, sich<br />
einen Bildungsmarkt vorzustellen, auf dem ein solches freies Austauschverhältnis<br />
herrschte. Aber läuft es einem echten Pädagogen nicht eiskalt über den Rücken,<br />
wenn er hört: K<strong>und</strong>e, Produkt...?<br />
Peter Lankenau:<br />
Das ist natürlich eine überspitzte Formulierung, die in dem Zusammenhang zustande<br />
kam, daß wir sagten, es sei etwas anderes, ob wir nun über Schüler sprechen<br />
oder über Auszubildende, die in einem Verhältnis 1:20 eingestellt werden. Wir<br />
müssen Schüler aufnehmen, sie werden uns zugeführt. Eine Telekom kann natürlich,<br />
das ist dargestellt worden, für jeden Ausbildungsplatz 20 Leute anschauen <strong>und</strong><br />
entsprechend auswählen. Dennoch ist diese Idee, daß Schüler einen K<strong>und</strong>enstatus<br />
haben, daß sie ernst genommen werden <strong>und</strong> Wertschätzung genießen, von der<br />
Schule überhaupt nicht zu negieren. Dies zeichnet gute Schule aus. Es ist notwendig,<br />
daß Lehrer akzeptieren, daß Schüler so etwas wie einen „K<strong>und</strong>enstatus“ haben.<br />
Ich muß das nicht nur als Schule, sondern auch als Dienstleister so empfinden.<br />
Günter Gerstberger:<br />
Stefan, fühlst Du Dich in Deiner Schule gut bedient? Oder was hieße es, gut<br />
bedient zu sein in einer Schule?<br />
Stefan Nohn:<br />
Gut bedient zu sein in einer Schule hieße, daß die Klassen nicht zu groß sind, genügend<br />
Lehrer da sind, qualifizierte Lehrer, die mit Herz <strong>und</strong> Seele dabei sind <strong>und</strong><br />
nicht einfach ihre Zeit absitzen, um hinterher mit dem Geld nach Hause zu gehen,<br />
<strong>und</strong> natürlich auch gewisse Freiheiten. Schule ist für mich auch ein Stück<br />
Lebensraum. Ich verbringe anteilig am Tagesgeschehen mehr als 50 Prozent meiner<br />
Zeit in der Schule. Für mich muß Schule Freiräume bieten, damit ich mich selber<br />
entwickeln kann.<br />
Günter Gerstberger:<br />
Ist das dann eine Ganztagesschule? Ganztagesschule ist im Gefolge von PISA – jenseits<br />
von Gesamtschule <strong>und</strong> gegliedertem Schulsystem – wieder stark in die öffent-<br />
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