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"Jugend und Gesundheit" (pdf) - Robert Bosch Stiftung

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Podiumsdiskussion<br />

stecken wir ja: Schule soll Spaß machen, aber sie soll sich gleichwohl von der allgemeinen<br />

Fun-Gesellschaft distanzieren, einen Spaß sozusagen eigener Kultur entwickeln.<br />

Ich will damit andeuten, daß wir hier natürlich auch terminologisch in<br />

Schwierigkeiten kommen.<br />

Peter Lankenau:<br />

Wir haben in letzter Zeit viel darüber nachgedacht, was sich an der Schule ändern<br />

müßte. Ich hatte jetzt in einer Schulleiterfortbildung die Gelegenheit, mit einer<br />

Gruppe von Kollegen sowohl Kanada als auch Holland <strong>und</strong> Schweden zu besuchen.<br />

Ich habe den Eindruck, unser zentrales Problem ist einmalig auf der Welt, es<br />

ist dieses Halbtagssystem. Wir machen uns krank mit der Praxis, morgens soviel<br />

Unterricht wie möglich in einen sehr engen Zeitraum hineinzupressen. Wir haben<br />

zum Teil sieben St<strong>und</strong>en am Vormittag, fangen um Viertel vor acht an, gehen bis<br />

Viertel nach zwei. In dieser Zeit haben wir durch die löbliche Initiative von Eltern<br />

eine geringe Möglichkeit, etwas zur Verpflegung anzubieten, aber es gibt keine<br />

Mensa, es gibt keine entsprechende Pause. Uns fehlt diese Entspanntheit, die ich in<br />

Kanada <strong>und</strong> Schweden gesehen habe. Schüler vagab<strong>und</strong>ieren – im positiven Sinne<br />

– durch das Schulgebäude. Das ist bei uns überhaupt nicht möglich, nicht nur in<br />

Bremen, sondern überall in Deutschland.<br />

Wir müssen, <strong>und</strong> das ist ein Investitionsfaktor erster Ordnung, unsere Schule<br />

umbauen in Richtung Lebensraum. Es kann nicht sein, daß Sie morgens kommen,<br />

sich in eine Klasse setzen <strong>und</strong> bleiben, bis es Mittag wird. Das ist eine zentrale<br />

Forderung. Gleichzeitig müssen wir, <strong>und</strong> das sage ich wirklich gegen die eigene<br />

Kollegenschaft, von unserer Arbeitszeit weg. Es kann nicht sein, daß ein deutscher<br />

Lehrer morgens um halb neun in die Schule kommt <strong>und</strong> um Viertel nach elf wieder<br />

nach Hause geht. Das ist <strong>und</strong>enkbar auf der Welt. In den besuchten Ländern<br />

wurden wir, als wir von den deutschen Verhältnissen berichteten, nur ungläubig<br />

angeschaut. Dazu fällt mir zum Schluß ein gutes Beispiel ein: Eine Lehrerin in<br />

Göteborg – sie war 62 Jahre alt <strong>und</strong> man sah es ihr wirklich nicht an – erzählte mir,<br />

daß sie seit zehn Jahren dieses neue Arbeitszeitmodell haben. Seit sie sich 35<br />

Zeitst<strong>und</strong>en in der Schule aufhalte, davon, glaube ich, 17 Zeitst<strong>und</strong>en Unterricht,<br />

befände sie sich nicht mehr im Burn-Out. Mit 50 wollte sie die Schule eigentlich<br />

hinschmeißen. Ich habe sie im Februar zu einer Lehrerfortbildung bei uns eingeladen,<br />

denn ich kann es mir nicht vorstellen, wie so etwas funktioniert, das muß ich<br />

ganz ehrlich sagen. Es ist eine zentrale Aufgabe unserer Politiker <strong>und</strong> vor allem<br />

auch der Gewerkschaften – ich bin selbst mal in der Gewerkschaft Mitglied gewesen,<br />

habe mich wegen eines Ärgers abgekoppelt –, daß es in die Köpfe hineingeht,<br />

daß so, wie wir Lehrer beschäftigen, sie automatisch in diese Falle hineinlaufen...<br />

Günter Gerstberger:<br />

Der Beifall im Publikum zeigt die breite Zustimmung, die Ihr Plädoyer für ein<br />

anderes Lehrerarbeitszeitmodell auslöst. Auch ich kann meine Zustimmung nicht<br />

verhehlen <strong>und</strong> bin Ihnen dankbar, daß Sie dieses so deutlich aussprechen.<br />

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