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Ambulantes Hospiz Schöneberg<br />

Stefan Schütz<br />

97<br />

Der ganz normale Alltag …<br />

Man kann die Arbeit eines Ambulanten Hospizdienstes<br />

mit Zahlen und Kurven beschreiben,<br />

doch meist för<strong>de</strong>rt dies nicht das Interesse <strong>de</strong>r<br />

Leser/innen. <strong>2003</strong> fan<strong>de</strong>n 55 Begleitungen von<br />

Sterben<strong>de</strong>n und ihren Angehörigen, in <strong>de</strong>n privaten<br />

Haushalten, in Heimen und Krankenhäusern<br />

sowie drei Trauerbegleitungen statt. Diese Zahlen<br />

mag man als hoch o<strong>de</strong>r niedrig bewerten, doch<br />

über die Schicksale und die Begebenheiten, die<br />

sich dahinter verbergen, sagen sie nichts aus.<br />

Während <strong>de</strong>r von uns monatlich angebotenen<br />

Informationsveranstaltungen erfahren wir immer<br />

wie<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Vorstellungen, die sich Menschen<br />

von <strong>de</strong>r Sterbebegleitung machen, wenn sie noch<br />

keine Einblicke in unsere Arbeit hatten. Viele<br />

dieser Vorstellungen treffen unsere Arbeit nur<br />

bedingt und <strong>de</strong>shalb soll hier ein wenig über die<br />

Sterbebegleitungen berichtet wer<strong>de</strong>n.<br />

In <strong>de</strong>n meisten Fällen wer<strong>de</strong>n wir durch die<br />

Ärztinnen und Ärzte von Home Care Berlin (ambulante<br />

ärztliche Versorgung von unheilbar kranken<br />

Krebspatient/innen) o<strong>de</strong>r durch die Sozialstation<br />

Frie<strong>de</strong>nau auf Menschen aufmerksam gemacht,<br />

die eine Begleitung benötigen. HäuÞg geschieht<br />

dies erst zu einem Zeitpunkt, wenn die Erkrankung<br />

bereits weit fortgeschritten ist und Angehörige<br />

und Freun<strong>de</strong> die Erkrankten schon über<br />

längere Zeiträume gepßegt und umsorgt haben.<br />

Mit <strong>de</strong>m Thema Tod möchten sich viele Betroffene<br />

nicht genauer auseinan<strong>de</strong>rsetzen, so dass es<br />

für Mitarbeiter/innen <strong>de</strong>s Hospizdienstes nicht<br />

selbstverständlich ist, die Organisation, für die<br />

sie tätig sind, zu nennen. So rufen Home Care<br />

Ärzte oft an und sagen: „Frau Müller benötigt<br />

dringend Unterstützung, ihr Brustkrebs ist weit<br />

fortgeschritten, Metastasen beÞn<strong>de</strong>n sich in <strong>de</strong>r<br />

Leber und im Knochen. Da sie keine Freun<strong>de</strong> hat,<br />

benötigt sie dringend einen Ansprechpartner,<br />

aber das Wort Hospiz o<strong>de</strong>r Palliativmedizin sollten<br />

Sie nicht in <strong>de</strong>n Mund nehmen. Frau Müller<br />

hat mit mir abgemacht, dass wir nicht über <strong>de</strong>n<br />

Tod sprechen.“<br />

Manchmal ist es schwierig, <strong>de</strong>n mühsam geknüpften<br />

Kontakt aufrecht zu erhalten. So schrieb<br />

eine Ehrenamtliche in einer Email: „Immer wenn<br />

ich bei Familie H. anrufe, ist <strong>de</strong>r Ehemann am<br />

Apparat. Er sagt mir, alles sei in Ordnung und<br />

er wür<strong>de</strong> mich wie<strong>de</strong>r anrufen, wenn sie mich<br />

brauchen, aber noch sei es nicht soweit.“ Viel<br />

Geduld und Verständnis für die Situation Sterben<strong>de</strong>r<br />

ist vonnöten, um hier nicht aufzugeben<br />

und die Flinte ins Korn zu werfen – und manchmal<br />

müssen wir uns wie<strong>de</strong>r verabschie<strong>de</strong>n, obwohl<br />

wir die Hilfsbedürftigkeit und Not <strong>de</strong>r Kranken<br />

o<strong>de</strong>r ihrer Familienangehörigen <strong>de</strong>utlich vor<br />

Augen haben.<br />

Viele Menschen meinen, Sterbebegleitung sei<br />

eine unendlich harte und traurige Angelegenheit.<br />

Dies stimmt nur zum Teil. Sicher sind wir häu-<br />

Þg mit großem körperlichem o<strong>de</strong>r seelischem<br />

Leid konfrontiert und können wenig tun. Es ist<br />

manchmal hilfreich, ein wenig von <strong>de</strong>r Haltung<br />

abzukommen, man könne Schmerz und Leid nur<br />

mit <strong>de</strong>m Tun beseitigen o<strong>de</strong>r lin<strong>de</strong>rn. HäuÞg ist<br />

unsere pure Anwesenheit, die Tatsache, dass<br />

da jemand ist, <strong>de</strong>r die Situation teilt o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m<br />

von persönlichen Ängsten und Hoffnungen<br />

berichtet wer<strong>de</strong>n kann, das größte Geschenk,<br />

das einem schwerkranken Menschen o<strong>de</strong>r seinen<br />

nächsten Angehörigen geschehen kann.<br />

Und diese Situationen müssen beileibe nicht<br />

immer traurig sein.<br />

Aus <strong>de</strong>n Aufzeichnungen einer ehrenamtlichen<br />

Mitarbeiterin<br />

„Frau N. ist schwach und auf ihrem Nachthemd<br />

sind Spuren von Feuchtigkeit, Gespucktem. Der<br />

Mann macht sich große Sorgen, weil sie gar nichts<br />

mehr bei sich behält und Galle spuckt. Ich versuche<br />

trotz<strong>de</strong>m, mit ihr zu plau<strong>de</strong>rn, spreche sie auf<br />

das wun<strong>de</strong>rvolle Hochzeitsbild an, was gegenüber<br />

von ihrem Bett an <strong>de</strong>r Wand hängt und wo noch<br />

meine Rosen vom letzten Mal stehen. Da waren<br />

Sie ja noch sehr jung und ganz hübsch haben Sie<br />

da ausgesehen, sage ich, und sie: Ja, jung war<br />

ich und knusperig. Und wir lachen alle.“<br />

Es sind oft die beiläuÞgen Dinge, die <strong>de</strong>n Alltag<br />

in <strong>de</strong>r Sterbebegleitung beherrschen. Wer<br />

wür<strong>de</strong> großes Aufhebens machen, wenn jemand<br />

einmal in <strong>de</strong>r Woche kommt, um die kranke Frau

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