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NUTZTIERE<br />
Hohe Leistung und Gesundheit –<br />
ein Widerspruch<br />
IN DEN ZURÜCKLIEGENDEN DEKADEN sind die Laktationsleistungen der<br />
Schweizer Milchkühe deutlich gestiegen. Um mit der aktuellen Genetik auch hohe<br />
Lebensleistungen zu erzielen, ist eine gezielte Fütterung rund ums Abkalben nötig.<br />
Martin<br />
Kaske<br />
Grafik 1: Abgänge – aber warum<br />
Zuchtvieh<br />
geringe Leistung,<br />
Melkbarkeit,<br />
Alter<br />
Euterkrankheiten,<br />
Unfruchtbarkeit,<br />
Klauenerkrankung,<br />
Stoffwechsel, Labmagen,<br />
Infektionen, Unfall,<br />
sonstige Gründe<br />
Sowohl bei Schweizer Holstein- als<br />
auch bei Fleckviehkühen steigen die<br />
Laktationsleistungen weitgehend linear<br />
um über 2% pro Jahr. Zwischen<br />
1960 und 2006 haben sich die Milchleistungen<br />
nahezu verdoppelt. Aus Sicht<br />
der Tierzüchter ist eine weitere Erhöhung<br />
der Milchleistung auch in Zukunft<br />
möglich; ein Selektionsplateau ist noch<br />
nicht erreicht.<br />
Weiter steigern Es erscheint jedoch<br />
zweifelhaft, ob eine weitere unkritische<br />
Erhöhung der Milchleistung ein<br />
erstrebenswertes Ziel darstellt. Die<br />
durchschnittliche Lebensleistung der<br />
Milchkühe bewegt sich heute noch auf<br />
dem Niveau der achtziger Jahre des letzten<br />
Jahrhunderts. Zunehmend gibt es<br />
sogar in der breiten Öffentlichkeit Bedenken,<br />
dass eine weitere Leistungssteigerung<br />
die Kühe überfordern könnte.<br />
Hohe Abgangsraten Tatsächlich<br />
ist die unbefriedigende durchschnittliche<br />
Lebensleistung der Milchkühe auf<br />
hohe Abgangsraten zurückzuführen, die<br />
Abgangsrate<br />
Merzungsrate<br />
Ist die Zwangsmerzungsrate sehr hoch, sind dafür meist<br />
gehäuft auftretende Produktionskrankheiten verantwortlich.<br />
Grafik 2: Risiko für Produktionskrankheiten<br />
Zwangsmerzungsrate<br />
heute auf Milchviehbetrieben meist<br />
zwischen 30 und 50% liegen. Eine hohe<br />
Abgangsrate muss jedoch nicht zwangsläufig<br />
ein Ausdruck eines schlechten Gesundheitsstatus<br />
der Herde sein. Einige<br />
sehr erfolgreiche Betriebe verkaufen in<br />
erheblichem Umfang Zuchtvieh oder selektieren<br />
auf der weiblichen Seite möglichst<br />
scharf. Wenn aber die Zwangsmerzungsrate<br />
(Grafik 1) hoch ist, so lässt<br />
sich dies mit einer ökonomisch tragfähigen<br />
und tiergerechten Milchviehhaltung<br />
kaum vereinbaren. Ursache dafür<br />
sind in der Regel gehäuft auftretende<br />
Produktionskrankheiten. Das sind Erkrankungen,<br />
deren Häufigkeit mit der<br />
Höhe der Milchproduktion direkt oder<br />
indirekt korreliert. Gemäss zahlreicher<br />
Studien trifft dies auf bestimmte nichtinfektiöse<br />
Erkrankungen wie Ketose,<br />
Labmagenverlagerung, hypocalcämische<br />
Gebärparese («Milchfieber»), aber<br />
auch infektiöse Erkrankungen wie Mastitiden<br />
(Euterentzündungen), Metritiden<br />
(Entzündung der Gebärmutter) und<br />
bestimmte Klauenerkrankungen zu.<br />
Rund ums Abkalben Produktionskrankheiten<br />
treten vor allem im Zusammenhang<br />
mit der Kalbung beziehungsweise<br />
während der ersten zwei<br />
Laktationsmonate auf. Diese Häufung<br />
erklärt sich dadurch, dass der Stoffwechsel<br />
der Tiere zu Laktationsbeginn<br />
aufgrund des hohen Energiebedarfs für<br />
die Milchsynthese besonders gefordert<br />
wird. Während der Erhaltungsbedarf einer<br />
600 kg schweren Kuh bei lediglich<br />
36 MJ NEL pro Tag liegt, erfordert die<br />
Synthese von beispielsweise 30kg Milch<br />
zusätzlich 93 MJ NEL pro Tag. Insbesondere<br />
die Transitperiode (drei Wochen<br />
vor und nach der Kalbung) bildet für die<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Wahrscheinlichkeit<br />
in %<br />
6 7 8 9 10 11 12<br />
Milchleistung (x 1000 kg)<br />
Euterentzündung<br />
Klauenerkrankung<br />
Zysten<br />
Entzündung<br />
Gebärmutter<br />
Nachgeburts-<br />
Verhalten<br />
Milchfieber<br />
Mit der steigenden Milchleistung hat sich<br />
auf Ebene der Population das Risiko für<br />
verschiedene Produktionskrankheiten<br />
deutlich erhöht. Ein gutes Herdenmanagement<br />
gewährleistet dennoch die Verein -<br />
barkeit von Hochleistung, Tiergesundheit,<br />
Fruchtbarkeit und langer Nutzungsdauer.<br />
Hochleistungskuh eine maximale metabolische<br />
Herausforderung. Ursache ist<br />
der rapide Anstieg der Milchleistung<br />
nach der Kalbung, während die maximale<br />
Trockensubstanz-Aufnahme erst<br />
vier bis zwölf Wochen nach Erreichen<br />
der Höchstleistung erreicht wird. Es resultiert<br />
in den ersten Laktationswochen<br />
eine negative Energiebilanz (NEB). Diese<br />
wird durch Mobilisierung von Körperreserven<br />
(vor allem Fett, aber auch<br />
Muskelgewebe) ausgeglichen. Die moderate<br />
Mobilisierung von Körperreserven<br />
ist physiologisch sinnvoll. Bei übermässiger<br />
Fettmobilisation nach der<br />
Geburt besteht jedoch die Gefahr von<br />
Stoffwechselentgleisungen wie die Ver-<br />
64 6 2013 · <strong>UFA</strong>-REVUE