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NUTZTIERE<br />
Verzehrsförderung als Schlüssel zum Erfolg<br />
Im Rahmen eines optimierten Transit-Managements kann vieles getan werden, um die<br />
Futteraufnahme um die Geburt zu maximieren und den Tieren damit den Übergang von<br />
der Spätträchtigkeit auf die Frühlaktation zu erleichtern. Die wichtigsten Ziele des<br />
Managements in der Trockenstehperiode sind:<br />
• Vermeidung einer Überkonditionierung (BCS > 4) der trächtigen Muttertiere durch<br />
eine bedarfsgerechte Energieversorgung im letzten Laktationsdrittel und in der<br />
Trockenstehperiode,<br />
• Adaptation der Pansenflora an die nach der Abkalbung übliche, kraftfutterreiche<br />
Ration durch die sukzessive Erhöhung des Kraftfutteranteils in den letzten zwei bis<br />
drei Wochen der Trächtigkeit («Anfütterung»),<br />
• gezielte Vorbeugung von Milchfieber (hypocalcämische Gebärparese) bei allen<br />
mehrkalbigen Kühen durch geeignete Massnahmen in Absprache mit dem Hoftierarzt<br />
und Fütterungsspezialist,<br />
• Verfügbarkeit einer sauberen und geräumigen Abkalbebox und adäquate Geburtsüberwachung<br />
beziehungsweise Geburtshilfe («stressfreie Abkalblinie»).<br />
fettung der Leber oder Ketose. Zudem<br />
ist die Abwehrbereitschaft des Organismus<br />
gegenüber Infektionserregern während<br />
der Transitperiode herabgesetzt.<br />
Infektiöse Erkrankungen wie Euterentzündungen<br />
(Mastitis) und Entzündungen<br />
der Gebärmutter (Metritis) treten<br />
deshalb häufiger auf und sind oft die indirekte<br />
Folge der NEB.<br />
Ein Schlüssel, hohe<br />
Laktationsleistungen<br />
mit guter Gesundheit,<br />
Fruchtbarkeit und<br />
hohen Lebensleistungen<br />
vereinbaren<br />
zu können, liegt in der<br />
Fütterung.<br />
Nach der Abkalbung gelten folgende Massnahmen als sinnvoll zur Erreichung einer<br />
maximalen Futteraufnahme:<br />
• Angebot von Wasser mit einem Energiesupplement direkt nach der Kalbung,<br />
• Verfütterung einer Ration mit hochwertigen, schmackhaften und energiereichen<br />
Futtermitteln mit einem ausreichend hohen Strukturanteil,<br />
• Fütterungsmanagement, das jeder Kuh der Herde einen ungehinderten und ständigen<br />
Zugang zum Futter ermöglicht,<br />
• ständige Verfügbarkeit von Trinkwasser,<br />
• Vermeidung von sozialem Stress durch möglichst geringe Fluktuation innerhalb der<br />
Herde,<br />
• Fress-Liegeplatz-Verhältnis von grösser/gleich 1:1,<br />
• Maximierung des «cow comfort» im Hinblick auf Gestaltung des Stalls, Boden belag,<br />
Liegeboxen, Güllebeseitigung und Klauenpflege,<br />
• Aufstallung der frisch abgekalbten Kühe möglichst in einer speziellen Gruppe,<br />
• tägliche, routinemässige Erfassung des Gesundheitsstatus (Gesamteindruck, rektale<br />
Körpertemperatur, Pansenfüllung, vaginaler Ausfluss, Milchsekret) während der ersten<br />
zwei Wochen und die unmittelbare und entschlossene Behandlung etwaiger Erkrankungen<br />
durch den Hoftierarzt.<br />
Anpassungsfähigkeit variiert Es<br />
gibt andererseits keine unmittelbare Beziehung<br />
zwischen der Höhe der Milchleistung,<br />
dem Ausmass der NEB und der<br />
Tiergesundheit. Trotz einer häufig ausgeprägten<br />
NEB erkranken viele Hochleistungstiere<br />
nicht an Produktionskrankheiten<br />
– entsprechend gelten<br />
Produktionskrankheiten heute als Ausdruck<br />
einer individuell unzureichenden<br />
Anpassungsfähigkeit an eine NEB. Diese<br />
Adaptationsfähigkeit variiert zwischen<br />
den Tieren ausserordentlich. Eine<br />
Schlüsselrolle kommt der Höhe der Futteraufnahme<br />
im geburtsnahen Zeitraum<br />
zu. Hier gilt es hervorzuheben, dass jede<br />
einzelne Massnahme, die nach der Kalbung<br />
zu einer höheren Futteraufnahme<br />
führt, als Vorbeugung gegen Produktionskrankheiten<br />
anzusehen ist – jedes<br />
Gramm zusätzliche Futteraufnahme, jeder<br />
einzelne Kieferschlag des Tieres, jeder<br />
zusätzliche Besuch des Futtertisches<br />
sind deshalb von Vorteil (siehe Kasten<br />
oben). Grundsätzlich können hohe Herdenleistungen<br />
nur erzielt werden, wenn<br />
Produktionskrankheiten selten auftreten.<br />
Ein offensichtlicher Widerspruch<br />
besteht nicht zwischen Hochleistung<br />
und Tiergesundheit, wohl aber führen<br />
Produktionskrankheiten zu einer verminderten<br />
Milchleistung und schliessen<br />
insofern eine hohe Herdenleistung aus.<br />
Fazit Das Ziel erfolgreicher Milchviehhalter<br />
ist es, auch bei einem hohen<br />
Leistungsniveau eine gute Tiergesundheit<br />
und Fruchtbarkeit zu erreichen.<br />
Viele Hochleistungsherden mit befriedigender<br />
Fruchtbarkeit und überdurchschnittlicher<br />
Nutzungsdauer belegen<br />
eindrucksvoll, dass Hochleistung und<br />
Tiergesundheit vereinbar sind, sofern<br />
das Fütterungs- und Haltungsmanagement<br />
optimiert werden. Somit ist stets<br />
ein suboptimales Management – und<br />
damit der Mensch – die primäre Ursache<br />
von Produktionskrankheiten. Der<br />
entscheidende Unterschied zwischen<br />
über- und unterdurchschnittlich erfolgreichen<br />
Milchviehbetrieben ist entsprechend<br />
weniger die Laktationsleistung<br />
der Herde als vielmehr die Kompetenz<br />
und Erfahrung der Betriebsleiter. <br />
Autor Martin Kaske, Apl.-Prof. Dr.<br />
med. vet. Fachtierarzt für Physiologie<br />
und Rinder, Dip. ECBHM; Spezialgebiet:<br />
Bestandesmedizin, Kälbergesundheit,<br />
Stoffwechsel-Physiologie; Rinder -<br />
gesundheitsdienst, Agridea,<br />
8315 Lindau, martin.kaske@agridea.ch<br />
Zur Erkennung spezifischer<br />
Problemfelder auf dem Betrieb<br />
dienen Kennzahlen zur Tiergesundheit,<br />
die Gegenstand eines Folgeartikels in der<br />
<strong>UFA</strong>-<strong>Revue</strong> vom Juli sein werden.<br />
www.ufarevue.ch 6 · 13<br />
<strong>UFA</strong>-REVUE · 6 2013 65