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GESCHICHTE<br />
Mit der 23er konnte man eigentlich alles fahren: Am 12. Oktober 1972 leistete die 023 019 einer 44er<br />
Vorspann vor einem Durchgangs-Güterzug. Wir sind am Block Michelbach (Bilz) bei Schwäbisch Hall<br />
am Vortag die Hinfahrt erfolgt war. Trotz des Vorspanns<br />
einer 23er galt es wegen des relativ schweren<br />
Zuges, der knapp bemessenen Fahrzeit <strong>und</strong><br />
der steigungsreichen Strecke, jede Menge Kohlen<br />
zu schippen. Da wir pünktlich in Heilbronn einliefen,<br />
konnte ich gegen elf Uhr vormittags zufrieden<br />
„Feierabend“ machen.<br />
Nachts unterwegs<br />
Die Eindrücke einer Fahrt überwiegend bei Dunkelheit<br />
– auch wenn es davon natürlich keine fografischen<br />
Zeugnisse gibt – habe ich damals festgehalten.<br />
Vielleicht sind sie heute, nach mehr als<br />
40 Jahren, für den einen oder anderen Leser von<br />
Interesse: Dienstbeginn war am 1 5. Oktober 1 971<br />
um 1 5.35 Uhr, mit dem Dg (Durchgangs-Güterzug)<br />
49 1 32 sollte es nach Heidelberg gehen. Ich meldete<br />
mich zum Dienstantritt in der Lokleitung, <strong>und</strong><br />
der Lokleiter nannte mir die 052 508. Die Maschine<br />
stand im Schuppen, es war keine der Heilbronner<br />
50er, denn am Führerhaus stand „BD Nürnberg,<br />
Bw Schweinfurt“ angeschrieben.<br />
Ich kletterte die schmale Leiter zum Führerstand<br />
hinauf <strong>und</strong> sah zuerst nach dem Feuer. Ich<br />
legte einige Schaufeln Kohle auf <strong>und</strong> prüfte den<br />
Wasserstand. Da kam auch schon mein Lokführer.<br />
Sogleich polterte unsere Lok auf die Drehscheibe,<br />
dann aufs Ausfahrgleis des Bw. Die Mannschaft<br />
vor uns hatte das Wasser- <strong>und</strong> Kohlefassen bereits<br />
erledigt.<br />
Wir fuhren durch den Hauptbahnhof, unser<br />
Zug, der von Kornwestheim kam, schien Verspätung<br />
zu haben, denn der Stellwerksbeamte gab uns<br />
über Lautsprecher die Anweisung, auf ein Wartegleis<br />
zu fahren. Inzwischen plauderte ich mit<br />
dem Lokführer. Auf den Nebengleisen donnerten<br />
Züge vorbei. Rauchende Dampfloks, Dieselloks<br />
<strong>und</strong> Elloks fuhren an uns vorüber, die bunte Vielfalt<br />
des Eisenbahnbetriebes ließ sich von unserem<br />
Führerstand aus gut beobachten.<br />
So verging eine halbe St<strong>und</strong>e. Endlich war unser<br />
Zug eingetroffen. Eben fuhr die elektrische Lok<br />
der Baureihe 1 50, die ihn nach Heilbronn gebracht<br />
hatte, auf dem Nachbargleis vorüber, als das<br />
Schutzsignal unseres Wartegleises auf „frei“ ging.<br />
Wir rollten langsam an den Zug, <strong>und</strong> ein Rangierer<br />
kuppelte unsere Lok an. Nachdem die vereinfachte<br />
Bremsprobe durchgeführt war, reichte uns<br />
der Wagenmeister den Bremszettel hinauf. Unser<br />
Zug war ein Leerwagen-Ganzzug mit einem Gewicht<br />
von 600 Tonnen. Inzwischen hatte ich<br />
nochmals kräftig Kohlen aufgelegt, im Kessel der<br />
052 508 siedete <strong>und</strong> brodelte es. Damit die Lok<br />
nicht so sehr qualmt, stellte ich den Bläser etwas<br />
an. Der Zeiger des Manometers näherte sich mehr<br />
<strong>und</strong> mehr der roten Marke.<br />
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