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LOK Magazin V 100 West und Ost (Vorschau)

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GESCHICHTE<br />

Klassische Herbstarbeit: Ein Zug mit Zuckerrüben nach Lauffen in Heilbronn Rangierbahnhof (9/1972)<br />

Inzwischen war links der Neckar mehr zu ahnen<br />

als zu sehen, denn die Dämmerung war fast<br />

unmerklich in Dunkelheit übergegangen. Auf dem<br />

Führerstand unserer rüttelnden, stampfenden <strong>und</strong><br />

jetzt mit größerer Geschwindigkeit dahinfahrenden<br />

Lok herrschte eine Atmosphäre, die wiederzugeben<br />

beinahe unmöglich ist. Eisen klapperte <strong>und</strong><br />

rasselte, der Boden vibrierte unaufhörlich. Bei<br />

Nacht ist das Erlebnis einer Führerstandsfahrt<br />

noch weit größer als am Tage. Das völlige Dunkel<br />

wird nur unterbrochen, wenn bei geöffneter Feuertür<br />

das Feuer seinen rotgelben Schein verbreitet.<br />

Der Lokführer ist dann spukhaft angeleuchtet, <strong>und</strong><br />

der rotschimmernde Kohlenberg auf dem Tender<br />

erscheint als gespenstische Silhouette vor der<br />

Schwärze des Himmels. Dringen dann noch<br />

Dampfschwaden ins Führerhaus (vor allem nach<br />

Betätigen des Abschlammventils), so scheint dieses<br />

von einem feinen, sich überall ausbreitenden,<br />

blutroten Schleier durchzogen zu sein.<br />

Mit 70 Sachen durch die Dunkelheit<br />

Rings um uns das stille, schon schlafende Land, so<br />

eilte unsere tobende Maschine, gefolgt von der langen<br />

Schlange der Güterwagen, über das stählerne<br />

Band der Schienen. In vollem Tempo donnerten<br />

wir durch Bahnhöfe, plötzlich von den Lichtern der<br />

Bahnsteige umgeben, um dann wieder in das Dunkel<br />

der Landschaft einzutauchen. Eine solche Fahrt<br />

kann das unmittelbare Erleben der gebändigten<br />

Macht des Feuers sein. Wie ich die Eindrücke dieser<br />

Fahrt so richtig auskostete, meinte der „Meister“,<br />

der sich bis dahin ganz der Beobachtung der<br />

Signale gewidmet hatte: „Schade, dass es nicht Tag<br />

ist, dann könntest du was vom Neckartal sehen!“<br />

Seit Heilbronn fuhren wir ohne Halt. Mit etwa<br />

70 Sachen brauste unser Zug durch Neckarelz, einige<br />

Reisende traten schnell zurück. Dort vereinigt<br />

sich die Strecke von <strong>Ost</strong>erburken mit unserer<br />

Bahnlinie. Unaufhaltsam eilte unsere 052 508<br />

ihrem Ziel entgegen.<br />

Drehen <strong>und</strong> sofort zurück<br />

Schon fuhren wir wieder unter dem elektrischen<br />

Fahrdraht. Der Lokführer legte leicht die Bremse<br />

an, denn gleich würden wir den Heidelberger Rangierbahnhof<br />

erreichen. Nun glänzten wieder Dutzende<br />

von Signal- <strong>und</strong> Weichenlichtern, für die<br />

Eisenbahner von bestimmter Bedeutung <strong>und</strong> Bestandteile<br />

einer wohldurchdachten Ordnung. Für<br />

einen Liebhaber der Schiene gehören sie zum Zauber<br />

der Eisenbahn. Ihr Schein spiegelte sich auf<br />

den silbernen Schienen, die sich in der Ferne im<br />

Dunkeln verloren.<br />

Wir polterten über einige Weichen, mit einem<br />

Ruck kam der Zug zum Stehen. Ich kletterte hinunter<br />

<strong>und</strong> kuppelte ab. Die Kupplungseisen klirrten,<br />

man hörte das Zischen der Luft beim Lösen<br />

der Bremsschläuche. Um unsere Lok herum stieg<br />

der Geruch von heißem Öl auf. Wir fuhren auf die<br />

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