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gangen war, völlige Windstille herrschte und das Meer glatt wie Öl dalag, alle sich zur Ruhe<br />
niederlegten und das Steuerruder einem Schiffsjungen anvertrauten.<br />
So geschah es, daß die Strömung das Schiff in aller Ruhe auf eine Untiefe auffahren ließ, die<br />
trotz der nächtlichen Stunde schon meilenweit vorher hörbar und sichtbar war. Da begann der<br />
Schiffsjunge, der das Aufstoßen <strong>des</strong> Steuers auf Grund spürte und das Krachen vernahm, ein lautes<br />
Geschrei zu erheben. Ich hörte sein Rufen und war sofort zur Stelle, noch ehe jemand anderer<br />
es bemerkt hatte, daß wir auf Grund gefahren waren. Alsbald erschien auch der Besitzer <strong>des</strong><br />
Schiffes, Juan de la Cosa, der eben die Wache anzutreten hatte, auf Deck. Ihm und den anderen<br />
Matrosen befahl ich, das im Schlepptau nachgezogene Boot zu besteigen und vom Heck aus einen<br />
mitgenommenen Anker ins Meer zu werfen. Er bestieg also mit vielen anderen das Boot.<br />
Statt aber meinen Auftrag auszuführen, ruderten sie darauflos und entflohen mit ihrem Boot zur<br />
Karavelle „Niña“, die 2 Seemeilen von uns entfernt war.<br />
Als ich dies bemerkte und gleichzeitig feststellte, daß die Wassertiefe immer mehr abnahm und<br />
das Schiff ernstliche Gefahr lief, ließ ich sofort den Hauptmast umlegen und das Schiff von jeder<br />
unnützen Belastung befreien, um zu versuchen, es wieder flottzukriegen. Da das Wasser immer<br />
seichter wurde, konnte die Karavelle nicht flottgemacht werden; denn da sie sich etwas geneigt<br />
hatte, trat durch die Fugen Wasser ein, das den unteren Schiffsteil zu füllen begann. Inzwischen<br />
kam ein Boot der Karavelle „Niña“ zu Hilfe geeilt. Da ihre Besatzung bemerkt hatte, daß das<br />
Boot mich im Stiche lassen wollte, ließ man sie dort nicht an Bord kommen; <strong>des</strong>halb sahen sich<br />
die Bootsinsassen gezwungen, wieder zu meinem Schiff zurückzukehren.<br />
Da ich keine Möglichkeit sah, das Schiff zu retten, war ich darauf bedacht, die Schiffsbesatzung<br />
in Sicherheit zu bringen. Weil aber vom Lande ein starker Wind wehte, die Nacht bereits weit<br />
vorgeschritten war und ich nicht zuverlässig feststellen konnte, an welchem Punkte man aus dem<br />
Bereich dieser Untiefen herauskommen konnte, so wartete ich bis zum Anbruch <strong>des</strong> Tages.<br />
Ich schickte ein Boot an Land, in welchem sich Diego di Arana aus Cordova, der Major-Auditor<br />
der Armada, und Pietro Gutierrez, der Truchseß Eurer Hoheiten, befanden, um den „cacico“ von<br />
dem Vorgefallenen in Kenntnis zu setzen.<br />
Als der „cacico“ diese traurige Botschaft vernahm, war er über unseren Verlust tief bekümmert<br />
und entsandte augenblicklich alle Einwohner seines Dorfes mit vielen großen Kanus zu unserem<br />
Schiff. Dort machten wir uns alle zusammen alsogleich ans Werk, die Ladung zu löschen. In<br />
kurzer Zeit hatten wir vom ganzen Oberdeck alles an Land geschafft, so wertvoll war die Mithilfe,<br />
die uns jener „cacico“ hatte angedeihen lassen. Später gewährte er uns persönlich samt seinen<br />
Brüdern und Verwandten jede Unterstützung, sowohl auf dem Schiffe wie zu Lande, damit alles<br />
wohl vonstatten gehe. Von Zeit zu Zeit schickte er einige seiner Verwandten zu mir, die mich<br />
weinend baten, es nicht allzu tragisch zu nehmen, er würde mir gerne alles, was er besäße, überlassen.<br />
Ich kann Euren Hoheiten hoch und heilig versichern, daß unser Besitz in ganz Kastilien<br />
nicht besser versorgt hätte werden können, von dem nicht eine einzige Nadel verlorenging. Denn<br />
er ließ all unser Hab und Gut in der Nähe seiner Behausung aufstapeln, wo es bleiben sollte, bis<br />
die Hütten freigemacht würden, wo alles untergebracht werden konnte. Bewaffnete Männer hielten<br />
die ganze Nacht hindurch davor Wache. Dabei waren er und all die Seinen in Tränen aufgelöst,<br />
als hätten sie selber Schaden erlitten, so liebenswert, selbstlos und verträglich sind diese<br />
braven Leute, daß mir Euer Hoheiten aufs Wort glauben können, daß es auf der weiten Welt keine<br />
besseren Menschen und kein schöneres Land geben kann.<br />
.....<br />
Mittwoch, der 26.Dezember.<br />
Bei Sonnenaufgang erschien heute der König <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> an Bord der „Niña“, wo ich mich befand.<br />
Beinahe unter Tränen bat er mich, mir keine Sorgen zu machen, er würde mir all seine Habe<br />
geben und habe uns bereits zwei große Hütten zur Verfügung gestellt; wenn nötig, könnten<br />
wir auch noch weitere beziehen. Außerdem seien genügend Kanus vorhanden, um alles vom gestrandeten<br />
Schiffe abzuladen und alle darauf befindlichen Menschen an Land zu schaffen, wenn<br />
ich es wünsche. Dies alles bewerkstelligte der „cacico“ zu nachtschlafender Zeit, ohne daß auch<br />
nur ein Körnchen davon abhanden gekommen wäre.<br />
.....<br />
Ich gab den Befehl, eine Festung mit einem Turm und einem tiefen Graben so gut als möglich<br />
anzulegen, nicht etwa <strong>des</strong>halb, weil ich der Ansicht war, daß diese Vorsichtsmaßregel den Ein-