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gelschiffe. Küstenstriche in derjenigen Gegend, in der <strong>Kolumbus</strong> sie vermutete, konnten<br />
unmöglich zu Ostasien gehören! Diese Überlegungen waren den Portugiesen mit Sicherheit<br />
bekannt, und auch <strong>Kolumbus</strong> muß derartige Überlegungen angestellt haben –<br />
schließlich war er ein erfahrener Seemann!<br />
Wir können dem Leser an dieser Stelle nur mit einer recht allgemeinen Überlegung dienen:<br />
Wenn im Kopfe einer Person eine Idee Gestalt annimmt, so pflegen zugleich auch<br />
Zweifel und innerer Abstand zu dieser Idee zu wachsen. Erst wenn im Laufe einer inneren<br />
Auseinandersetzung sich eben diese Idee immer wieder als brauchbar erweist, vielleicht<br />
gestützt durch weitere Beobachtungen oder Ereignisse, wird die Idee schließlich<br />
subjektiv als „tragfähig“ akzeptiert. Wenn aber schon in einem sehr frühen Stadium eine<br />
Beobachtung oder ein Ereignis die neue Idee „schlagend“ zu beweisen scheint, wird das<br />
Stadium der inneren Auseinandersetzung übersprungen und die Idee wird subjektiv als<br />
„zweifelsfrei richtig“ akzeptiert; Zeitgenossen pflegen eine derartige Idee gewöhnlich<br />
als „fixe Idee“ kopfschüttelnd zu belächeln. Offenbar muß irgendein Ereignis <strong>Kolumbus</strong><br />
während seines Aufenthaltes in Portugal so beeindruckt haben, daß er jede Kritik an<br />
seiner „Ostasien-These“ verlor. Geheiminformationen können es nicht gewesen sein,<br />
denn dann hätte er seinen Plan nicht ausgerechnet König João II. vorgelegt. Auch<br />
Treibholzfunde, wie sie auf Porto Santo sicherlich <strong>des</strong> öfteren gemacht wurden, reichen<br />
als Erklärung nicht aus, denn sie hätten nur die Existenz einer fremden Küste nahegelegt,<br />
nicht jedoch die Identifizierung dieser Küste mit Ostasien. Vielleicht war es ein<br />
kleiner angetriebener Kunstgegenstand, den <strong>Kolumbus</strong> als „typisch asiatisch“ einstufte?<br />
Wir werden die Wahrheit niemals erfahren, und so wollen wir auch nicht weiterspekulieren.<br />
Da die Überlieferung äußerst dürftig ist, sind wir hinsichtlich der Aktivitäten, die <strong>Kolumbus</strong><br />
in Portugal entfaltete, auf Vermutungen angewiesen, aber man darf davon ausgehen,<br />
daß <strong>Kolumbus</strong> während seines Aufenthaltes in Portugal zweckdienliche Kontakte<br />
knüpfte und etliche Gespräche mit Fachleuten der Krone führte. Anders ist es gar<br />
nicht zu erklären, daß er 1483/84 Gelegenheit bekam, der Krone seinen Plan einer<br />
„Westfahrt“ formell vorzulegen. Diese Gespräche müssen für beide Seiten nervenzerrend<br />
gewesen sein: Auf der einen Seite <strong>Kolumbus</strong>, der seine Thesen mit fadenscheinigen<br />
Argumenten vertreten muß, da er seine wahren Quellen nicht nennen will, auf der<br />
anderen Seite der Vertreter der Krone, der – nach unserer Hypothese – genau weiß, daß<br />
<strong>Kolumbus</strong> recht hat, dieses aber nicht zugeben kann. Zudem war die Portugiesische<br />
Krone, wenn unsere Hypothese richtig ist, natürlich bestrebt in Erfahrung zu bringen,<br />
was <strong>Kolumbus</strong> wirklich wußte und was er nur vermutete; zugleich wollte man sicherlich<br />
auch herausfinden, ob es möglicherweise am Hofe eine „undichte Stelle“ gab. Aber wer<br />
Fragen stellt, gibt auch eigenes Wissen preis, und so muß <strong>Kolumbus</strong> allmählich gemerkt<br />
haben, daß die Portugiesen Teile der gegenüber gelegenen Küsten kannten.<br />
Nachdem <strong>Kolumbus</strong> König João II. seinen Plan einer „Westfahrt“ vorgelegt hatte, setzte<br />
dieser eine dreiköpfige Kommission aus Fachleuten ein (die Namen sind bekannt), welche<br />
die Erfolgsaussichten eines solchen Unternehmens prüfen sollten. Das Ergebnis war<br />
negativ, und so wurde der Plan einer „Westfahrt“, nachdem er zusätzlich auch noch dem<br />
Kronrat vorgelegt worden war, endgültig abgelehnt. Die Argumente für die Ablehnung<br />
sind nicht überliefert, aber sie lassen sich erschließen: Der Abstand zwischen dem Persischen<br />
Golf und China konnte wegen der offensichtlich bestehenden moslemischen<br />
Handelskontakte nicht „allzu“ groß sein (s.o.). Bei Landmassen 4000 km westlich der<br />
Kapverden konnte es sich folglich unmöglich um Ostasien handeln.