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Fahrten des Kolumbus

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weshalb sich Eure Hoheiten veranlaßt sehen könnten, ihnen beizustehen. Obzwar mich einerseits<br />

der Glaube aufrechterhielt, daß unser Herrgott es niemals zulassen könne, daß ein Unternehmen,<br />

welches zur Ehre seiner Kirche gereichte und das ich nach soviel überstandenen Mühen und Widerwärtigkeiten<br />

zu gutem Ende geführt hatte, unvollkommen bleiben und ich selber dabei<br />

zugrunde gehen sollte, so glaubte ich doch annehmen zu müssen, daß der Allmächtige wegen<br />

meines Unverdienstes oder in der Absicht, mir auf Erden nicht einen so großen Ruhm zuteil<br />

werden zu lassen, mein Unternehmen an diesem Punkte abbrechen wollte. Und so gedachte ich<br />

in meiner Bestürzung Eurer Hoheiten, die, falls ich umkommen sollte und die Schiffe untergingen,<br />

dennoch der Ergebnisse dieses siegreichen Unternehmens nicht verlustig gehen sollten. Es<br />

mußte einen Weg geben, Euren Hoheiten Nachricht über den erfolgreichen Ausgang meiner Reise<br />

zukommen zu lassen.<br />

In dieser Absicht schrieb ich auf Pergamentblätter in der Kürze der mir zu Gebote stehenden Zeit<br />

alles nieder, was sich auf die Entdeckung jener Länder bezog, die ich zu vollführen versprochen<br />

hatte. Ich gab darin die benötigte Zeit, die Wege, die ich eingeschlagen, die Güte der entdeckten<br />

Länder und die Eigenschaften ihrer Bewohner an, die innerhalb all <strong>des</strong>sen, wovon ich im Namen<br />

Eurer Hoheiten Besitz ergriffen hatte, zu Ihren ergebenen Untertanen geworden waren. Dieses<br />

wohlversiegelte Schreiben richtete ich an Eure Hoheiten und versprach demjenigen, der es verschlossen<br />

und unversehrt überbringen würde, tausend Dukaten, damit, falls es in fremde Hände<br />

fallen sollte, jene Belohnung den Finder davon abhalte, sich seinen Inhalt zunutze zu machen.<br />

Dann ließ ich mir ein großes Faß bringen. Ich wickelte das Schreiben in ein Stück Wachsleinwand<br />

ein, steckte es in einen Wachskuchen und legte alles zusammen in das Faß, das ich dann,<br />

dicht abgeschlossen, ins Meer warf. Alle hielten dies für eine fromme Handlung. In weiser Voraussicht,<br />

daß jenes Faß seinen Bestimmungsort nicht erreichen könnte, die Schiffe aber immerhin<br />

noch gegen Kastilien fuhren, so verfertigte ich noch eine zweite, in gleicher Weise verwahrte<br />

Botschaft und verstaute sie am Hinterschiff, damit, falls das Schiff untergehen sollte, das Faß an<br />

der Oberfläche auf gut Glück weiterschwimme.<br />

(Bald darauf traten Sturzböen und Wolkenbrüche ein, der Wind sprang nach Westen um, so daß<br />

der Admiral mit Rückenwind fünf Stunden lang nur mit dem Focksegel weiterfuhr, trotzdem das<br />

Meer noch in ziemlichem Aufruhr war. So legte er 10 Seemeilen in nordöstlicher Richtung zurück.)<br />

[Las Casas]<br />

Zitiert nach BERGER, Bd.1, S.256 ff. [Statt „Seemeile“ lies „Meile“!]<br />

Diese „Geschichte vom großen Sturm“ gibt Rätsel auf, denn wenn ein Schiff nur noch<br />

„vor Top und Takel“ treibt, ist es unmöglich, nach Abflauen <strong>des</strong> Sturmes einen Gißort<br />

anzugeben. <strong>Kolumbus</strong> konnte zwar mit astronomischen Methoden die geographische<br />

Breite erneut ermitteln, nicht jedoch die geographische Länge! War diese durch einen<br />

Sturm verlorengegangen, konnte sie niemals wieder neu ermittelt werden; das war erst<br />

zu Zeiten von Captain Cook, also 300 Jahre später, möglich. Wie konnte <strong>Kolumbus</strong><br />

dann aber die Distanz zu den Azoren auch nach dem Sturm so genau vorhersagen? Das<br />

aber bedeutet: Nur eine der beiden Geschichten kann wahr sein – entweder die von der<br />

korrekten Vorhersage der Ankunft auf den Azoren oder die vom „großen Sturm“.<br />

Liest man die Angaben <strong>des</strong> <strong>Kolumbus</strong> nur oberflächlich, so stellt sich das Bild eines<br />

dramatischen Geschehens ein: Gewaltige Brecher drohen die Niña zu zerschmettern, die<br />

Mannschaft legt in To<strong>des</strong>angst Gelübde ab und <strong>Kolumbus</strong>, den Tod vor Augen, versucht,<br />

wenigstens durch eine „Flaschenpost“ der Nachwelt Kunde von seinen Entdeckungen<br />

zu geben.<br />

Aber bei nüchterner Betrachtung stellen sich Zweifel ein: Wie kann man auf einem<br />

Schiff, das wie ein Korken auf dem Wasser tanzt und zudem wegen Mangel an Ballast<br />

sicherlich erheblich krängt, überhaupt mit Tinte und Federkiel einen längeren Bericht zu<br />

Papier bringen, und das auch noch in „doppelter Ausfertigung“? Ist es möglich, unter<br />

diesen Bedingungen Wachs zu schmelzen, um diese Papiere in einem „Wachskuchen“

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