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Diese Formulierung bestätigt nicht nur, daß schon eine Reise stattgefunden hatte, sie<br />
zeigt auch, daß sich alle Beteiligten – also auch sein Vater – darüber im Klaren waren,<br />
eine beachtliche Landmasse gefunden zu haben.<br />
Über den Verlauf der Expedition selbst ist nichts bekannt, es lassen sich jedoch zwei<br />
plausible Annahmen machen:<br />
A. Die Portugiesen kannten schon Teile der südamerikanischen Küste und vermuteten,<br />
eine sehr ausgedehnte Landmasse versperre den direkten Westweg nach Asien.<br />
Eine derartige Landmasse kam der Intention der Portugiesen, den Handel mit Indien<br />
auf der Kap-Route zu monopolisieren, durchaus entgegen, allerdings mußte man sicher<br />
sein, daß diese „Sperre“ nicht im Nordwesten von Konkurrenten umgangen<br />
werden konnte. In diesem Falle darf man als Ziel der Expedition annehmen, die<br />
Möglichkeit einer „nordwestlichen Durchfahrt“ zu erkunden. Die wirkliche Erforschung<br />
einer solchen Durchfahrt war sicherlich nicht geplant, denn die portugiesische<br />
Krone brauchte Informationen, jedoch keine toten Helden.<br />
B. Die Portugiesen kannten die südamerikanische Küste nicht und gingen folglich davon<br />
aus, ein direkter Westweg nach Asien stehe ihnen als Option offen.<br />
In diesem Falle wäre der einzig sinnvolle Auftrag gewesen, die schon bekannten<br />
Küsten abzusegeln und dann den Verlauf der Küste südlich Neufundlands zu untersuchen<br />
– die Expedition von Pining und Pothorst wäre dann also eine Südfahrt entlang<br />
der nordamerikanischen Küste gewesen.<br />
Wie wir noch sehen werden spricht einiges dafür, daß das Scenario A der Wahrheit am<br />
nächsten kommt; in jedem Falle aber steht fest:<br />
Spätestens im Jahre 1474 war der portugiesischen Krone klar, daß eine sehr ausgedehnte<br />
Landmasse im Westatlantik den direkten Weg nach Asien behinderte, ja<br />
möglicherweise sogar vollständig versperrte, und daß es sich bei dieser Landmasse<br />
nicht um Teile <strong>des</strong> zivilisierten Asiens handeln konnte.<br />
3.2.4. Zusammenfassung<br />
Wir haben in den Abschnitten 3.2 bis 3.4. gezeigt, daß die Existenz der Nordostküste<br />
Amerikas auch in Europa bekannt gewesen sein muß: Auf Island durch mündliche Überlieferung<br />
und die späteren Saga-Texte, im Niederrheingebiet durch Handelskontakte<br />
mit Grönland und im Vatikan über bestimmte kirchliche Würdenträger. Da diese Informationen<br />
nicht der Geheimhaltung unterlagen, waren sie jedermann zugänglich, aber<br />
das heißt noch lange nicht, daß diese Informationen auch jedermann kannte!<br />
Die mittelalterliche Gesellschaft, aber auch noch die der beginnenden Neuzeit, war in<br />
Bezug auf Kenntnisse und Informationen eine „fragmentierte Gesellschaft“, d.h., aktuelle<br />
Kenntnisse und Informationen wurden nur innerhalb der betroffenen Berufsgruppen<br />
ausgetauscht – gewöhnlich mündlich, gelegentlich brieflich; Bücher wurden von diesen<br />
Gruppen nicht geschrieben. Nun ist es eine Binsenweisheit, daß man nur findet, wonach<br />
man gezielt sucht – man benötigt folglich für jede Recherche ein elementares „Anfangswissen“.<br />
Uns wird dieses Anfangswissen täglich über die diversen Medien gelie-