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„vernünftig“ verhielten, also ihre bescheidenen Möglichkeiten optimal zu nutzen versuchten<br />
und gleichzeitig offensichtlich lebensbedrohende Risiken vermieden – die Seefahrt<br />
war ohne dies schon gefährlich genug.<br />
3.2. Die Entdeckungen der Nordmänner<br />
3.2.1. Grönland<br />
Ausgangspunkt für die Besiedlung Grönlands, um 900 von Gunnbjörn entdeckt, war<br />
Island, das vermutlich etwa ab 800 von iro-schottischen Mönchen, später von Wikingern<br />
gelegentlich aufgesucht wurde. Im Jahre 874 erfolgte dann die erste dauerhafte<br />
Landnahme durch Ingolfur Arnarson.<br />
Im Jahre 982 wurde Eirek Rauthir (Erich der Rote) wegen eines von ihm begangenen<br />
Totschlages für drei Jahre von Island verbannt. Er segelte Grönland an und gründete an<br />
der Westküste zwei Siedlungen: Zunächst die südlich gelegene „Ostsiedlung“ (Brattahlid),<br />
später weiter nördlich die „Westsiedlung“. Diese Landnahme Erichs <strong>des</strong> Roten<br />
wird in jedem Geschichtsbuch kommentarlos erwähnt, es lohnt sich jedoch, diese Tat<br />
einmal von der nautischen Seite zu betrachten.<br />
Zunächst einmal muß Erich gewußt haben, daß nur die Westküste Grönlands Landwirtschaft<br />
zuläßt; zudem muß ihm bekannt gewesen sein, daß der südlichste Teil der Westküste<br />
auch im Sommer oft von Packeisfeldern blockiert wird, die von der Ostküste um<br />
die Südspitze Grönlands (Kap Farvel) herumgetrieben werden, und die eine Landung<br />
sehr gefährlich oder sogar unmöglich machen, daß aber weiter nördlich(!) die Küste im<br />
Sommer eisfrei ist. Ohne dieses Detailwissen wäre er entweder beim Versuch einer<br />
Landung vom Küstenpackeis eingeschlossen worden, oder aber er hätte eine Landung<br />
ganz aufgegeben, denn wenn schon der südliche Teil der Küste im Sommer vereist ist,<br />
sollte dies weiter nördlich erst recht der Fall sein! Schlaglichtartig sehen wir, daß die<br />
Nordmänner die Küsten ihres „Revieres“ sehr genau kannten, viel genauer, als dies aus<br />
den viel später niedergeschriebenen Sagas hervorgeht.<br />
Die Grönländer betrieben Weidewirtschaft und ernährten sich, wie auch durch archäologische<br />
Funde belegt wird, hauptsächlich von Milchprodukten, die natürlich nicht exportfähig<br />
waren; ferner wurden Schafe und Ziegen gehalten. Hauptexportartikel waren<br />
Walroßhautriemen, die als äußerst widerstandsfähiges Tauwerk sehr begehrt waren, und<br />
Walroßzähne, die in Europa das Elfenbein ersetzten. Dieser Handel wurde fast ausschließlich<br />
über das Niederrheingebiet und Holland abgewickelt. Albertus Magnus berichtet<br />
1280 in seinem Werk „De Animalibus“, daß in Köln ein ständiger Markt für<br />
Walroßtaue existierte, und von 1327 datiert eine Urkunde, in der Bernhard de Ortolis<br />
den Empfang von 1524 Pfund Walroßzähnen bestätigt. Dies war der Tribut Grönlands<br />
an Norwegen. Bernhard erhielt diese Lieferung vom Bischof in Trondhjem, dem Oberhirten<br />
von Grönland.<br />
Norwegen hatte die kirchliche Oberaufsicht über Grönland, und ab 1261 ein Monopol<br />
für den Schiffsverkehr, aber die Kontakte zwischen Grönland und Norwegen verebbten<br />
allmählich. Der Grund dürfte darin bestanden haben, daß es vermehrt zu Heiraten zwischen<br />
den christlichen Nordmännern und heidnischen Inuit-Frauen kam, was nach<br />
kirchlichem Recht streng verboten war. Man wollte keine Einmischung Norwegens heraufbeschwören,<br />
und so konzentrierte man sich auf den Handel mit dem Niederrheinge-