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den Kurse zu segeln, wobei er nach jeder Stunde einen Holzpflock in die entsprechende<br />
Bohrung <strong>des</strong> Pinkompasses steckt:<br />
1. SE<br />
2. SE<br />
3. S<br />
4. SE<br />
5. E<br />
6. S<br />
7. SE<br />
Währen dieser Zeit hat der wachhabende Schiffsoffizier mehrmals die Geschwindigkeit<br />
<strong>des</strong> Schiffes relativ zum Wasser (!) gemessen, sie beträgt konstant 10 km/h. Nach dieser<br />
Zeit nimmt der Schiffsoffizier den Pinkompaß ab, ersetzt ihn durch einen neuen und<br />
wertet den alten aus.<br />
Wie aus Abb.17 hervorgeht, genügt es, auf einer Plattkarte die durchfahrenen Strecken<br />
durch Pfeile von 10 km Länge darzustellen, die man aneinander koppelt (daher der Name<br />
dieser Navigationsmethode). Hierbei ist es gleichgültig, ob man dies in der tatsächlich<br />
durchfahrenen Reihenfolge tut (gestrichelte Linie) oder einfach die Holzpflöcke <strong>des</strong><br />
Pinkompasses für die verschiedenen Richtungen abzählt (durchzogene Linie) – das letztere<br />
ist natürlich viel einfacher. Man erhält so den „Gißort“ <strong>des</strong> Schiffes ohne Stromversetzung<br />
(gissen = schätzen, engl. to guess = raten). Gewöhnlich wurden die Pfeile übrigens<br />
nicht gezeichnet, vielmehr spreizte man einen Stechzirkel auf die gewünschte Länge<br />
und „wanderte“ mit den beiden Nadeln dann unter Beachtung der jeweiligen Richtung<br />
über die Karte.<br />
Nehmen wir nun weiter an, daß während der gesamten Zeit eine in Richtung Nordosten<br />
laufende Strömung von 2 km/h das Schiff abtreibt. Ist diese Strömung bekannt, addiert<br />
man einfach einen Pfeil von 7x2 km = 14 km Länge und erhält so den Gißort mit<br />
Stromversetzung. Ist die Strömung dagegen unbekannt – und Strömungen mit 1-2 km/h<br />
sind nichts Ungewöhnliches – macht man schon nach nur 7 Stunden einen Fehler von<br />
14 km! Gerade bei den langsam segelnden Schiffen <strong>des</strong> ausgehenden Mittelalters machten<br />
sich Stromversetzungen besonders rasch störend bemerkbar.<br />
Dieses Beispiel zeigt, wie unsicher Koppelnavigation in unbekannten Gewässern ist,<br />
wobei ausdrücklich betont sei, daß es keinerlei Möglichkeiten gibt, die Stromversetzung<br />
ohne zusätzliche Navigationshilfen (z.B. Landpeilungen, astronomische Positionsbestimmungen)<br />
festzustellen, denn ohne Landsicht oder astronomische Methoden läßt sich<br />
grundsätzlich nur die Geschwindigkeit <strong>des</strong> Schiffes relativ zum Wasser, nicht dagegen<br />
über Grund bestimmen! Nachdem etwa ab 1800 astronomische Positionsbestimmungen<br />
Allgemeingut wurden, war es auf größeren Schiffen üblich, einmal pro Tag den tatsächlichen<br />
Standort <strong>des</strong> Schiffes festzustellen (Mittagsbesteck), um sich dann für das nächste<br />
Etmal (24 Stunden) auf die Koppelnavigation zu verlassen. Dieses Verfahren hat sich<br />
bestens bewährt, aber es bleibt festzuhalten, daß reine Koppelnavigation, insbesondere<br />
über viele Tage und in unbekannten Gewässern, eine unzureichende Navigationsmethode<br />
darstellt, und das wußten mit Sicherheit schon die Portugiesen der Entdeckerzeit.<br />
Kein Wunder also, daß man schon in der Zeit vor <strong>Kolumbus</strong> alles daran setzte, die reine<br />
Koppelnavigation durch unabhängige astronomische Verfahren zu ergänzen.