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Die so konstruierten Geraden, die die Azimutlinien senkrecht schneiden, sind Positionslinien.<br />
Ist nur eine Positionslinie bekannt, so weiß man lediglich, daß sich das Schiff<br />
irgendwo auf dieser Geraden befindet, aber auch das kann schon nützlich sein: Läuft die<br />
Positionslinie beispielsweise auf einen Leuchtturm zu, so kann man die Positionslinie<br />
entlang segeln und wird dann früher oder später den Leuchtturm sehen können; schneidet<br />
die Positionslinie eine Untiefe, so tut man gut daran, die Positionslinie in entgegengesetzter<br />
Richtung entlang zu segeln, bis man Gelegenheit zu einer Positionsbestimmung<br />
hat.<br />
Liegen mehrere Positionslinien vor, müssen sich diese in einem Punkt schneiden, dem<br />
astronomisch bestimmten Standort <strong>des</strong> Schiffes. Gewöhnlich erhält man ein kleines<br />
Dreieck mit einer Kantenlänge von wenigen Seemeilen, der Standort befindet sich dann<br />
in der Mitte <strong>des</strong> Dreieckes. Zugleich läßt sich die Zuverlässigkeit der Messungen beurteilen:<br />
Zeigen alle Orientierungspfeile entweder in das Dreieck hinein oder hinaus, so ist<br />
die Abweichung auf einen gemeinsamen systematischen Fehler zurückzuführen und die<br />
Messungen können als zuverlässig gelten; gewöhnlich ist eine von den Tabellenwerten<br />
abweichende Kimmtiefe der Grund für den Fehler, denn beim Anbringen der entsprechenden<br />
Korrektur werden alle Positionslinien gleichsinnig verschoben. Liegt der<br />
Standort mehr als 30 sm vom Gißort entfernt, verwendet man diesen Standort als neuen<br />
Gißort und führt die entsprechenden Rechnungen ein weiteres Mal aus. Das Verfahren<br />
läßt sich übrigens auch mit Sonnenhöhen durchführen; in diesem Falle macht man zwei<br />
Messungen im Abstand von etwa 6 Stunden, ausgehend von zwei Gißorten. Dann verschiebt<br />
man die erste Positionslinie gemäß Kurs und abgelaufener Strecke parallel und<br />
bringt sie mit der zweiten Positionslinie zum Schnitt (Astronomische Ortsbestimmung<br />
mit Versegelung).<br />
2.6. Zusammenfassung<br />
Wir haben in den vorangehenden Abschnitten bewußt einen Abriß der Navigationsmethoden<br />
gegeben, der weit über die Zeit der Entdeckungsfahrten hinausreicht, denn in<br />
den folgenden Kapiteln soll der Leser die entscheidenden Argumente nicht nur nachvollziehen,<br />
sondern auch selbst bewerten können. Dies ist insbesondere <strong>des</strong>halb wichtig,<br />
weil die direkten Überlieferungen gerade der Navigationsmethoden der Entdeckungszeit<br />
außerordentlich dürftig sind. So sind sich alle Fachleute zwar einig, daß die Portugiesen<br />
spätestens ab 1480 das Seeastrolabium zur Breitenbestimmung aus Sonnenhöhen verwendeten,<br />
die entsprechenden Tabellen stammen aber aus der Zeit um 1510 (Regimento<br />
do Norte); die älteste Zeichnung eines Seeastrolabiums findet man 1528 und das älteste<br />
erhaltene Gerät ist von 1556. Diese lückenhafte Überlieferung ist in erster Linie darauf<br />
zurückzuführen, daß die zeitgenössischen Historiker nichts von Nautik und Navigation<br />
verstanden und auch gar kein Interesse hatten, derartigen „technischen Kram“ niederzuschreiben<br />
– und die gebildete Leserschaft war erst recht nicht an entsprechenden Einzelheiten<br />
interessiert. Hinzu kam die besonders von den Portugiesen praktizierte Geheimhaltung.<br />
Läßt man die Entwicklung der Navigation der letzten tausend Jahre Revue passieren, so<br />
fällt auf, daß Möglichkeiten einer technischen Verbesserung der Navigation stets rasch<br />
aufgegriffen und in die Praxis umgesetzt wurden. So führte die Kenntnis der nordweisenden<br />
Eigenschaft einer Magnetnadel sehr bald zur Konstruktion <strong>des</strong> Seekompasses,<br />
und auch die Navigationsmethoden wurden entsprechend umgestellt: Segeln nach<br />
Kompaßkursen im Mittelmeer, bald darauf Ortsbestimmung durch Koppelnavigation.