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Exil Schweiz Tibeter auf der Flucht

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Tucci, Heinrich Harrer, Lowell Thomas und Ernst Krause (Schäfer­Expedition)<br />

für Tim in Tibet abgezeichnet und dabei – mit<br />

wenigen Ausnahmen – eine glückliche Hand gehabt, was man<br />

von an<strong>der</strong>en Autoren nicht immer sagen kann 16 . Vor allem in billigen<br />

Comics (zum Beispiel <strong>der</strong> Serie Gespenstergeschichten),<br />

werden Details aus verschiedensten Regionen, ja sogar Kulturen<br />

wahllos nebeneinan<strong>der</strong>gestellt. So wurde für das erste Bild in<br />

Das Rätsel <strong>der</strong> Dämonenglocken <strong>der</strong> Potala als Vorlage verwendet,<br />

während ein paar Bil<strong>der</strong> später für dieselbe Klosteranlage<br />

das «Tigernest» (Taktsang) in Bhutan kopiert wurde. Einem Stupa<br />

setzte <strong>der</strong> Zeichner Ertugrul einen Turm wie ein Minarett<br />

<strong>auf</strong>, indem eine «himmlische Glocke» <strong>auf</strong>bewahrt werden soll,<br />

einmal diente ihm für eine Szene eines religiösen Tanzes (’cham)<br />

ein Stupa aus Ladakh als Vorlage, einem Wächter aus Stein setzte<br />

er den Kopf einer thailändischen Statue <strong>auf</strong> und sein Abt<br />

gleicht eher einem Zauberer aus einem europäischen Märchenbuch<br />

als einem tibetischen Mönch.<br />

Auf <strong>der</strong> Suche nach <strong>der</strong> Erinnerung<br />

Zwei Comic­Geschichten zeichnen sich durch sorgfältige Recherche<br />

und damit eine grosse Detailtreue aus: Tim in Tibet und Jonathan.<br />

Interessanterweise entspringen beide Geschichten demselben<br />

Motiv: Sowohl Hergé, <strong>der</strong> Schöpfer von Tim in Tibet, wie<br />

auch Cosey, <strong>der</strong> Jonathan erschuf, projizieren ihre Suche beziehungsweise<br />

Erinnerung an eine reale Person aus ihrem Leben,<br />

die ihnen viel bedeutet hat, in ihren Comic. In Tim in Tibet suchen<br />

<strong>der</strong> Titelheld und sein Hund Struppi den Chinesen Tschang,<br />

von dem alle annehmen, er sei bei einem Flugzeugbsturz im Himalaja<br />

gestorben, mit Ausnahme von Tim, <strong>der</strong> felsenfest davon<br />

überzeugt ist, dass er noch lebt. Hergé verarbeitete mit diesem<br />

zentralen Motiv seines Tibet­Comics seine eigene Suche nach<br />

dem Chinesen Tchang Tchong­Jen, <strong>der</strong> Hergé beim Erschaffen<br />

des Comics Der blaue Lotus eingehendst beraten hatte. Hergé<br />

bewahrte dies davor, einen ähnlich kolonialistischen, rassistischen<br />

und stereotypen Comic zu schaffen wie beispielsweise den<br />

zuvor erschienenen Tim im Kongo, zudem hatte er einen guten<br />

Freund gefunden. Diese Freundschaft brach auch dann nicht ab,<br />

als Tchang 1935 nach China zurückkehrte. Dort verlor sich jedoch<br />

wegen <strong>der</strong> politischen Umwälzungen jede Spur. Hergé<br />

glaubte auch mehr als zwanzig Jahre nach seinem Verschwinden<br />

nicht an den Tod des Freundes, und 1981 gelang es ihm tatsächlich,<br />

seinen chinesischen Freund Tchang Tchong­Jen zu finden<br />

und aus China herauszuholen.<br />

In einer tiefen Lebenskrise und konfrontiert mit dem Ratschlag<br />

eines Psychiaters, das Zeichnen <strong>auf</strong>zugeben, schuf Hergé<br />

1960, 31 Jahre nach Erfindung des «Tintin», Tim in Tibet. Mit<br />

diesem Comic kämpfte Hergé gegen die Hoffnungslosigkeit …<br />

und schuf einen Comic <strong>der</strong> Hoffnung, <strong>der</strong> Selbst<strong>auf</strong>opferung und<br />

<strong>der</strong> Freundschaft: Tim findet, nachdem er sein Leben mehrmals<br />

<strong>auf</strong>s Spiel gesetzt hat, seinen verschollenen Freund Tschang –<br />

und sein Schöpfer Hergé sich selbst. Aufschlussreich ist, wie sehr<br />

sich Hergé in dieser seiner persönlichsten und von ihm am meisten<br />

geschätzten Geschichte von Träumen leiten lässt und dem<br />

Übernatürlichen eine so zentrale Rolle zumisst. Der Einfluss Tibets?<br />

Jenes Tibets, in dem – so lässt Hergé die Leserschaft glauben<br />

– gewisse Mönche eben trotz allem über übernatürliche<br />

Kräfte verfügen, wie beispielsweise <strong>der</strong> schwebende und hellseherisch<br />

begabte «Gesegneter Blitz».<br />

Mit Jonathan (ab 1985), vor allem mit dem ersten <strong>der</strong> elf<br />

Bände, Auf <strong>der</strong> Suche nach <strong>der</strong> Erinnerung, hat auch Cosey ein<br />

Comic geschaffen, mit dem er den Verlust seines Freundes, Jonathan,<br />

zu verarbeiten versucht. Cosey und Jonathan fuhren in ihren<br />

Jugendjahren in den <strong>Schweiz</strong>er Alpen gemeinsam Ski o<strong>der</strong><br />

Motorrad, als Lektüre die Veden, die Bhagavad Gîta, Comics, C.<br />

G. Jung o<strong>der</strong> Woody Allen in den Taschen. Jonathan war im<br />

wirklichen Leben wie im Comic seltsam und exzentrisch. Er wollte<br />

mit dem Motorrad <strong>auf</strong> den Kilimandscharo fahren, verreiste<br />

schliesslich nach Nepal, wo er in einer psychiatrischen Klinik<br />

landete, nachdem man ihn halb tot an <strong>der</strong> tibetisch­nepalischen<br />

Grenze gefunden hatte. Jonathan blieb nicht in <strong>der</strong> Klinik. Er<br />

lief davon, Richtung Himalaja und Tibet – davon ist Cosey überzeugt.<br />

Und es ist auch dort, wo seine Geschichte, eine elfteilige<br />

39 | Unterrichtseinheit <strong>Exil</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>Tibeter</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Flucht</strong> Unterrichtseinheit <strong>Exil</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>Tibeter</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Flucht</strong> | 40

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