Exil Schweiz Tibeter auf der Flucht

ladenen Beziehungen führten. Vor 1959 sahen sich die Khampa
und Amdowa nicht durch die Zentralregierung von Lhasa politisch
repräsentiert. Dies änderte sich im Exil. Der Dalai Lama
und die Exilregierung versuchen, eine gemeinsame religiöse und
kulturelle Identität aller Tibeterinnen und Tibeter im Exil, unabhängig
von ihrer regionalen Herkunft, herzustellen. Auf der
religiösen Ebene können sie an die im 19. Jahrhundert entstandene
Rime­Bewegung anknüpfen, die eine Einheit in der Diversität
aller tibetisch­buddhistischen religiösen Traditionen anstrebte.
Politisch nimmt die tibetische Exilregierung für sich in
Anspruch, als Fortsetzung der Zentralregierung von Lhasa das
tibetische Volk in seiner Gesamtheit innerhalb und ausserhalb
Tibets zu repräsentieren. Hierdurch wurde Dharamsala zur provisorischen
Hauptstadt der gesamten tibetischen Welt. Hier soll
das alte Tibet in seiner kulturellen und religiösen Authentizität
bewahrt werden, was auch in der Bezeichnung «Little Lhasa»
zum Ausdruck kommt. Tibetische Kultur und Religion in ihrer
Unverfälschtheit werden symbolisch repräsentiert, u. a. im traditionellen
Kunsthandwerk, in der Thangka­Malerei und vor allem
in der religiösen Autorität der Tulkus. Die tibetische Geschichte
wird als Geschichte eines friedliebenden, der Ausübung seiner
Religion hingegebenen Volkes erzählt, für das Gewalt keine Option
zur Konfliktlösung darstellte. Der Essentialisierung tibetischer
Kultur leistet jedoch nicht nur die tibetische Exilregierung
Vorschub, sondern auch die zahlreichen westlichen Anhängerinnen
und Anhänger des tibetischen Buddhismus, die das verklärte
Bild eines Shangri La, eines buddhistischen Paradieses hinter
dem Himalaya, auf das Tibet vor 1959 und sein Erbe in der tibetischen
Exilgesellschaft projizieren.
Aus: Karénina Kollmar­Paulenz: Kleine Geschichte Tibets. München: Verlag C. H. Beck 2006.
S. 159–174.
Arbeitsaufträge
Kapitel: Unter chinesischer Herrschaft: Tibet nach 1950:
– Wie bewertete die kommunistische chinesische Regierung
die Unabhängigkeitsbestrebungen Tibets nach
dem Zweiten Weltkrieg?
– Welche Vereinbarungen beinhaltete das «Siebzehn-
Punkte-Abkommen» (1951) und welche Bedeutung hatte
dieses für das Verhältnis Tibet–China?
– Aus welchen Gründen kam es zum Aufstand im Jahre
1959 und zur Flucht des Dalai Lamas?
– Welche unmittelbaren Folgen hatte die Flucht des Dalai
Lamas für das tibetische Volk?
– Beschreiben Sie die Auswirkungen der von Mao Zedong
angeführten Kulturrevolution (ab 1966) für Tibet.
– Beschreiben Sie die politischen Entwicklungen in den
achtziger und neunziger Jahren.
– Informieren Sie sich über die Menschenrechte und
Menschenrechtsverletzungen (s. Recherche-Aufträge
S. 147) und ziehen Sie Schlussfolgerungen.
Kapitel: Tibet im Exil:
– Aus welchen Institutionen besteht die tibetische Exilregierung
in Dharamsala (Indien)?
– Welche vorrangigen Ziele verfolgt die Exilregierung?
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