Exil Schweiz Tibeter auf der Flucht

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ferenzen zwischen China und dem Dalai Lama hätten nichts mit Religion, Minderheitenschutz, Kultur und Menschenrechten zu tun, wie im Westen fälschlicherweise angenommen werde, sondern rührten nur daher, dass China seine territoriale Einheit gegen Versuche, Tibet abzuspalten, resolut verteidige. In einem Memorandum über die angestrebte Autonomie hätten der Dalai Lama und dessen Gefolgschaft zugegeben, dass sie in allen von Tibetern bewohnten Gebieten eine autonome Zone schaffen wollten, aus der das chinesische Militär und Vertreter anderer ethnischer Gruppen vertrieben werden sollten. Damit würden sie etwa einen Viertel der Fläche Chinas de facto abspalten. Kein Land auf der Welt würde je solche Angriffe einer Minderheit auf seine Einheit akzeptieren. Ganz in diesem Sinne hat der chinesische Präsident Hu Jintao seine tibetische Verwaltung am Montag aufgefordert, «eine grosse Mauer gegen Separatismus und für nationale Einheit» zu bauen und zu verstärken. Gleichzeitig müssten noch stärkere Anstrengungen unternommen werden zur wirtschaftlichen Entwicklung des Gebiets und zur Schaffung eines «vereinigten, demokratischen, prosperierenden, harmonischen sozialistischen neuen Tibet». Mit dem Dalai Lama und dessen Anhängern will der chinesische Präsident offensichtlich gar nicht ernsthaft ins Gespräch kommen. Hu, der bereits vor zwanzig Jahren als Parteichef der Autonomen Region Tibet das Militär hatte auffahren lassen, um gegen Demonstrationen von Tibetern für mehr Freiheit und Demokratie vorzugehen, scheint darauf zu setzen, dass sich das Problem von selbst lösen wird, wenn der charismatische, aber alternde Dalai Lama das Zeitliche segnet. Ruhe unter starker Militärpräsenz Seit den Demonstrationen vor einem Jahr, bei denen es teilweise zu gewaltsamen Exzessen von Tibetern gegen Muslime und Hanchinesen gekommen war, haben sich die Fronten zwischen den Lagern verhärtet. Peking verstärkte seine Militär und Polizeipräsenz, ordnete in den Klöstern Umerziehungskampagnen an, liess die Vergabe von Pässen an Tibeter (und Muslime) völlig einstellen und schränkte die Bewegungsfreiheit der Mönche ein. Zahlreiche Ausländer wurden aus den Gebieten ausgewiesen oder erhielten ihre Visa nicht mehr verlängert. Für Journalisten ist die Autonome Region Tibet seit einem Jahr gesperrt und das Arbeiten in den umliegenden tibetischen Gebieten erschwert. Am Dienstag blieb es in den tibetischen Gebieten – soweit bekannt – denn auch ruhig. Doch es herrscht ein Klima der Unfreiheit und Angst. Viele Tibeter hoffen, dass es zu keinen neuen Unruhen kommt, damit sich die Lage wieder etwas entspannt und zum alten Pragmatismus zurückgekehrt werden kann. Denn es stimmt zwar, dass die Kulturrevolution den Tibetern – wie der übrigen Bevölkerung Chinas auch – grosses Leid gebracht hat. Doch der Vorwurf des Dalai Lama, die tibetische Kultur sei kurz davor, von den Chinesen ausgelöscht zu werden, wirkt überzogen. Trotz Einschränkungen lebendige Kultur Bei einer kürzlich gemachten Reise durch vorwiegend von Tibetern bewohnte Gebiete in Qinghai zeugten zahlreiche Klöster und Mönche sowie das Verhalten der Nomaden und der tibetischen Bauern von einem nach wie vor sehr regen religiösen Leben, ganz anders als in den mehrheitlich von Hanchinesen bewohnten Gebieten. Doch die meisten tibetischen Bauern und Nomaden sind sehr arm und leben teilweise noch fast wie im Mittelalter. Viele können weder lesen noch schreiben. Es bestehen ethnische Spannungen um Weidegründe und Wasser vor allem zwischen Tibetern und Muslimen. Die von den Chinesen ge bauten Strassen, die Stromleitungen und Schulen bringen tatsächlich Fortschritt. Mehr Tibeter können heute auch Tibetisch schreiben lernen, doch viele, welche eine bessere Ausbildung genossen haben, wollen nicht mehr in das harte Hirtenleben zurück. Die grosse Herausforderung besteht deshalb wohl darin, nach Wegen zu suchen, die Modernisierung zu bewältigen, ohne dass es dabei zu allzu grossen kulturellen Brüchen und damit sozialen Spannungen kommt. 131 | Unterrichtseinheit Exil Schweiz, Tibeter auf der Flucht Unterrichtseinheit Exil Schweiz, Tibeter auf der Flucht | 132
Wenn die Chinesen einsehen würden, dass dies ohne Respekt vor der (vom Dalai Lama repräsentierten) tief verankerten Religiosität der Tibeter und der Rolle der Klöster kaum gelingen kann, wäre schon viel gewonnen. Was Peking derzeit im Verhältnis mit Taiwan beteuert, gilt auch für Tibet: Nicht das Militär kann die Probleme wirklich lösen, vielmehr gälte es vorerst, Vertrauen und damit die Basis für eine konstruktivere Herangehensweise zu schaffen. Peter A. Fischer: Chinas Tibeter im ModernisierungsStress. Ökonomische Rückständigkeit, spirituelle Stärke und vielschichtige Benachteiligung. © Neue Zürcher Zeitung, 2009. Mit freundlicher Genehmigung der Neuen Zürcher Zeitung. http://www.nzz.ch. 133 | Unterrichtseinheit Exil Schweiz, Tibeter auf der Flucht Unterrichtseinheit Exil Schweiz, Tibeter auf der Flucht | 134
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