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Exil Schweiz Tibeter auf der Flucht

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Das Gegenstück waren die Grassteppen und die Alpenmatten,<br />

die Viehzucht ermöglichten. Sie werden im Tibetischen<br />

«drog» genannt. «Drog­pa» bedeutet demnach «Hochlän<strong>der</strong>»,<br />

also die Viehzüchter respektive Nomaden. Die nomadische Nutzung<br />

von Weidenflächen war in den meisten Fällen nicht nur eine<br />

angepasste, son<strong>der</strong>n die einzige mögliche Nutzung von Land –<br />

beson<strong>der</strong>s im Norden und Nordosten Tibets. Gezüchtet wurden<br />

in erster Linie Schafe sowie Jak und dessen Kreuzungen. Die<br />

Rolle <strong>der</strong> Nomaden, die überall in Tibet anzutreffen sind, darf<br />

<strong>auf</strong> keinen Fall unterschätzt werden. Sie leisteten nämlich einen<br />

wesentlichen Beitrag an die Nahrung (Fleisch und Milchprodukte)<br />

und Kleidung (Wolle, Häute) <strong>der</strong> <strong>Tibeter</strong>. Nichtsdestoweniger<br />

ist Stein <strong>der</strong> Meinung, dass zumindest in den Kulturzentren ein<br />

gewisses Vorwiegen <strong>der</strong> landwirtschaftlichen Anb<strong>auf</strong>lächen augenscheinlich<br />

sei. (vgl. Stein, 1972: 111)<br />

Hauptsächlich war jedoch die jahreszeitliche Dualität dafür<br />

verantwortlich, dass das sesshafte Leben Hand in Hand mit dem<br />

mobilen Leben einherging. «… it is economic life and the type of<br />

ecology that compel them to a dual way of life, different in summer<br />

and winter.» (Stein, 1972: 122) Beispielsweise in West­ o<strong>der</strong><br />

Osttibet blieben im Sommer nur die Frauen mit ihren Kin<strong>der</strong>n in<br />

den Dörfern zurück. Die Männer trieben ihre Viehherden <strong>auf</strong> die<br />

hochgelegenen Weiden und kehrten erst gegen Winter zu ihren<br />

Familien zurück. Je nach Gegend zeigte diese Dualität natürlich<br />

lokale Varianten. So gab es landwirtschaftliche Dörfer mit Weideland<br />

in <strong>der</strong> Nähe. Hier wurden die Viehherden während <strong>der</strong><br />

Tageszeit <strong>auf</strong> das Weideland geführt und nachts in ihre Stallungen<br />

zurückgetrieben. Diese Dualität als wirtschaftlich gemischte<br />

Lebensweise ist bei jenen Familien mit sowohl Landbesitz wie<br />

auch relativ grossem Viehbestand beson<strong>der</strong>s ausgeprägt. Solche<br />

Familien trennten sich häufig in zwei spezialisierte Wirtschaftseinheiten:<br />

Ein Teil <strong>der</strong> Familie blieb dem Ackerbau und somit<br />

dem sesshaften Leben treu, während <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Teil sich <strong>der</strong><br />

mobilen Lebensweise des Viehzüchters zuwandte. Beide Gruppen<br />

trugen in <strong>der</strong> Regel denselben Familien­ bzw. Sippennamen.<br />

Da es überhaupt keine Industrie irgendwelcher Art gab, war<br />

Tibet von Landwirtschaft und <strong>auf</strong> Nomadismus beruhen<strong>der</strong><br />

Viehwirtschaft total abhängig. Ackerbau und Viehzucht als Subsistenzwirtschaft<br />

bildeten somit das Rückgrat <strong>der</strong> Wirtschaft<br />

Tibets. Durch ihre spezialisierte Wirtschaftsführung waren die<br />

Bauern und Nomaden notwendigerweise <strong>auf</strong> den Austausch ihrer<br />

Produkte angewiesen. Beim Verk<strong>auf</strong> und K<strong>auf</strong> <strong>der</strong> Produkte<br />

wurde Geld selten als Zahlungsmittel benutzt. Es wurde vielmehr<br />

Tauschhandel betrieben. Anstelle des Geldes wurde an<strong>der</strong>e<br />

Gebrauchsgüter eingesetzt, die je nach Gegend variierten. In vielen<br />

Teilen Tibets wurden häufig Tee­Ziegel als Zahlungsmittel<br />

verwendet; d. h. für eine Ware wurde je nach Wert eine bestimmte<br />

Anzahl von Tee­Ziegeln angeboten.<br />

Soziale Struktur<br />

Ganze Volksgruppen werden überall <strong>auf</strong> <strong>der</strong> Basis ihres Besitzes<br />

und <strong>der</strong> Besitzverteilung innerhalb <strong>der</strong> jeweiligen Gesellschaft<br />

klassifiziert. Welche Arbeit und welchen Gewinn bzw. Nutzen<br />

<strong>der</strong> Besitz mit sich bringt, spielt dabei auch eine Rolle. Aufgrund<br />

sozialer und wirtschaftlicher Unterschiede werden also generell<br />

Menschen in verschiedene soziale Gruppen eingeteilt, die ihrerseits<br />

spezifische Merkmale <strong>auf</strong>weisen und <strong>auf</strong> charakteristische<br />

Art zueinan<strong>der</strong> in Beziehung stehen.<br />

Die Struktur <strong>der</strong> tibetischen Gesellschaft lässt sich gemäss<br />

den Ausführungen von Stein generell <strong>auf</strong> zwei Ebenen analysieren:<br />

nämlich <strong>auf</strong> <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Familie o<strong>der</strong> des Klans etwa im<br />

Falle <strong>der</strong> Nomaden und <strong>auf</strong> <strong>der</strong> Ebene sozialer Klassen. (vgl. Stein,<br />

1972: 92) Seit dem neunten Jahrhun<strong>der</strong>t kann die tibetische Gesellschaft<br />

in drei Klassen eingeteilt werden: das gemeine Volk,<br />

den Adel und den Klerus bzw. die Geistlichkeit. Diese grobe Einteilung<br />

berücksichtigt natürlich die feinen Abstufungen und Untereinheiten<br />

nicht, die sich im L<strong>auf</strong>e <strong>der</strong> Geschichte Tibets entwickelt<br />

und auch verän<strong>der</strong>t haben. So bezieht sich <strong>der</strong> Begriff «Volk»<br />

mindestens <strong>auf</strong> zwei verschiedene Gruppen: wohlhabende Familien,<br />

die Land und/o<strong>der</strong> Vieh besassen und Arbeiter ohne Vieh­ und<br />

Landbesitz, die entwe<strong>der</strong> wohlhabenden Familien o<strong>der</strong> einem <strong>der</strong><br />

drei Grundherren (Adel, Geistlichkeit und Zentralregierung) o<strong>der</strong><br />

87 | Unterrichtseinheit <strong>Exil</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>Tibeter</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Flucht</strong> Unterrichtseinheit <strong>Exil</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>Tibeter</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Flucht</strong> | 88

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