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Exil Schweiz Tibeter auf der Flucht

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senheit des Dalai Lamas wurde <strong>der</strong> Panchen Lama zum Vorsitzenden<br />

des «Vorbereitenden Komitees» ernannt. Er hatte sich<br />

während <strong>der</strong> Revolte loyal zu China verhalten, und in seinem<br />

Territorium in Tsang war es zu keinen Unruhen gekommen.<br />

China än<strong>der</strong>te nun seine Politik in Tibet. Während es sich in<br />

den Jahren vor 1959 bemüht hatte, die lokalen Eliten für sich zu<br />

gewinnen, versuchte die kommunistische Führung nun, das Volk<br />

zu überzeugen. Die neue ideologische Kampagne zeichnete das<br />

Tibet vor 1950 als Hölle <strong>auf</strong> Erden, aus <strong>der</strong> China die tibetischen<br />

Massen befreit hatte. Neben <strong>der</strong> Indoktrination war die Landreform<br />

die wichtigste politische Massnahme dieser Jahre. Sie traf<br />

die Klöster am härtesten, da <strong>der</strong> Landbesitz ihr finanzielles<br />

Rück grat darstellte, von dem Tausende von Mönchen abhingen.<br />

Die Klöster wurden gezwungen, ihr Land <strong>auf</strong>zugeben, was gleichbe<br />

deutend mit <strong>der</strong> Vernichtung ihrer materiellen Existenzgrundlage<br />

war. Dies war wahrscheinlich die einschneidendste Verän ­<br />

<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> tibetischen Gesellschaft seit <strong>der</strong> Einführung des<br />

Buddhismus im 7. Jahrhun<strong>der</strong>t.<br />

In nur wenigen Jahren nach <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>schlagung <strong>der</strong> Revolte<br />

wurde das traditionelle Tibet transformiert. Diejenigen, die<br />

Wi<strong>der</strong>stand gegen die Chinesen geleistet hatten, wurden entwe<strong>der</strong><br />

umgebracht o<strong>der</strong> verschwanden in Lagern, wo harte Arbeit<br />

und katastrophale Lebensbedingungen für ihren schnellen Tod<br />

sorgten. Die Klöster konnten ihre religiösen Funktionen nur<br />

noch sehr eingeschränkt ausüben, weil ihnen das Geld zur<br />

Durch führung <strong>auf</strong>wändiger Zeremonien fehlte. Viele Mönche<br />

waren entwe<strong>der</strong> ins Ausland geflohen o<strong>der</strong> in Arbeitslagern interniert.<br />

Die Umverteilung des Landes führte zur Bildung neuer<br />

sozialer Klassen. Dieser Umbruch und <strong>der</strong> stetige Zuzug von<br />

Chinesen nach Osttibet hatten dort Hungersnöte und einen<br />

Rückgang <strong>der</strong> tibetischen Bevölkerung zur Folge. Als <strong>der</strong> Panchen<br />

Lama begann, die Konsequenzen <strong>der</strong> chinesischen Politik<br />

für die <strong>Tibeter</strong> zu kritisieren, wurde er seiner Ämter enthoben<br />

und später in einem Lager interniert, aus dem er erst 1978 entlassen<br />

wurde.<br />

Der Reformprozess kulminierte 1965 in <strong>der</strong> Errichtung <strong>der</strong><br />

Tibetischen Autonomen Region (TAR), die Tibet endgültig in die<br />

Volksrepublik China integrierte und ihren Son<strong>der</strong>status, <strong>der</strong><br />

durch das Siebzehn­Punkte­Abkommen begründet worden war,<br />

beendete.<br />

Die 1966 von Mao angeführte Kulturrevolution erfasste auch<br />

Tibet. Im Februar des Jahres verboten die Behörden das erste<br />

Mal die Durchführung <strong>der</strong> Mönlam­Zeremonie in Lhasa. Das<br />

Verbot bildete den Auftakt zu einem vollständigen Verbot <strong>der</strong><br />

Religionsausübung in <strong>der</strong> Öffentlichkeit. Im August 1966 verbreiteten<br />

die Roten Garden <strong>auf</strong> Wandzeitungen die Hauptpunkte<br />

<strong>der</strong> Kulturrevolution: Alle religiösen Feste sollten abgeschafft,<br />

äus sere Zeichen buddhistischer Religiosität wie Stupas, Mani­<br />

Mauern, Gebetsfahnen und Weihrauch und sämtliche Photos des<br />

Dalai Lamas und Panchen Lamas zerstört werden. Klöster und<br />

Tempel wurden für den öffentlichen Gebrauch umgewidmet,<br />

«feudale Bräuche» wie Parties, <strong>der</strong> Austausch von Geschenken<br />

und das Überreichen von Khatas, <strong>der</strong> traditionellen Glücksschleifen,<br />

wurden eingestellt. Auch die Muslime wurden <strong>auf</strong>gefor<strong>der</strong>t,<br />

sich <strong>der</strong> neuen Gesellschaft anzupassen und ihre traditionellen<br />

Bräuche <strong>auf</strong>zugeben.<br />

Die folgenden Jahre sahen die Ausradierung einer ganzen<br />

Kultur. Fast alle <strong>der</strong> nahezu 6000 Klöster und Tempel wurden<br />

geplün<strong>der</strong>t und zerstört, selbst vor <strong>der</strong> Jowo­Statue im Jokhang<br />

machte die Zerstörungswut nicht halt. Die kostbarsten Goldobjekte<br />

wurden nach Peking geschickt, wo sie eingeschmolzen wurden.<br />

Die Kulturrevolution bedeutete für Tibet den Versuch <strong>der</strong><br />

Zerstörung seiner kulturellen Identität.<br />

1975 führte die Regierung in Peking eine neue Siedlungspolitik<br />

in bezug <strong>auf</strong> Tibet ein. Während Amdo und Teile von Kham<br />

schon längst einen grossen Anteil an Chinesen <strong>auf</strong>wiesen, wurden<br />

nun finanzielle Anreize für Han­Chinesen geschaffen, sich<br />

in Zentraltibet nie<strong>der</strong>zulassen. Es gibt keine genauen Statistiken,<br />

einer offiziellen Schätzung zufolge dürften aber nach 1982<br />

ungefähr 96 000 Han­Chinesen nach Tibet übergesiedelt sein.<br />

113 | Unterrichtseinheit <strong>Exil</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>Tibeter</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Flucht</strong> Unterrichtseinheit <strong>Exil</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>Tibeter</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Flucht</strong> | 114

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