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Exil Schweiz Tibeter auf der Flucht

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Text 6<br />

Karénina Kollmar-Paulenz<br />

Kleine Geschichte<br />

Tibets<br />

Unter chinesischer Herrschaft: Tibet nach 1950<br />

Die politische Situation nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

Die politische Landschaft in Asien än<strong>der</strong>te sich nach dem Ende<br />

des Zweiten Weltkriegs grundlegend. Indien erlangte 1947 die<br />

Unabhängigkeit, und für die tibetische Regierung stellte sich die<br />

Frage, ob das unabhängige Indien die britische Tibet­Politik<br />

fortsetzen würde. Die neue indische Regierung hielt es indes für<br />

wichtiger, mit China gute Beziehungen herzustellen, als den Anspruch<br />

<strong>auf</strong> die tibetische Unabhängigkeit zu unterstützen. Tibet<br />

wie<strong>der</strong>um versuchte, mit Indien neu über die ehemaligen tibetischen<br />

Gebiete, die Grossbritannien annektiert hatte, zu verhandeln,<br />

und erkannte erst im Juni 1948 Indien als Nachfolgestaat<br />

Britisch­Indiens an. Diese verspätete Anerkennung kostete Tibet<br />

in indischen Regierungskreisen viele Sympathien.<br />

1947/48 entsandte Tibet unter dem Deckmantel einer «Handelsmission»<br />

eine erste offizielle Delegation nach Indien, China,<br />

Grossbritannien und die USA, um sich in <strong>der</strong> Nachkriegsordnung<br />

als unabhängige Nation Gehör zu verschaffen und direkte Handelskontakte<br />

vor allem mit Grossbritannien und den USA anzuknüpfen.<br />

Die Mission war von diplomatischen Verstimmungen<br />

<strong>der</strong> chinesischen Regierung begleitet, die die Anerkennung <strong>der</strong><br />

von <strong>der</strong> tibetischen Regierung ausgestellten Pässe durch die Re­<br />

gierungen <strong>der</strong> betroffenen Län<strong>der</strong> zu verhin<strong>der</strong>n versuchte. Obwohl<br />

die tibetische Mission Visa für die USA erhielt, behandelte<br />

die US­Regierung die <strong>Tibeter</strong> nicht als offizielle Gesandte eines<br />

ausländischen Staates. Die Briten weigerten sich sogar, Visa <strong>auf</strong><br />

tibetische Pässe auszustellen.<br />

In China brach nach <strong>der</strong> Kapitulation Japans 1945 ein Bürgerkrieg<br />

zwischen <strong>der</strong> Guomindang unter Chiang Kai­shek und<br />

den Kommunisten unter Mao Zedong aus, <strong>der</strong> im Herbst 1949<br />

zugunsten <strong>der</strong> Kommunisten entschieden wurde. Am 1. Oktober<br />

1949 gab Mao Zedong offiziell die Gründung <strong>der</strong> Volksrepublik<br />

China bekannt.<br />

Der Einmarsch <strong>der</strong> Volksbefreiungsarmee<br />

Der Bürgerkrieg in China und <strong>der</strong> bevorstehende Sieg <strong>der</strong> Kommunisten<br />

wurden in Tibet mit grösster Sorge beobachtet. Die Regierung<br />

in Lhasa reagierte <strong>auf</strong> die bevorstehende Bedrohung mit<br />

<strong>der</strong> Ausweisung aller chinesischen Beamten und aller Personen,<br />

die sie als Spitzel Chinas verdächtigte. Weitere Massnahmen bestanden<br />

in <strong>der</strong> Aufrüstung <strong>der</strong> Armee durch Waffen­ und Munitionskäufe<br />

in Indien. Darüber hinaus wurden einzelne tibetische<br />

Truppenkontingente von den in Gyantse stationierten indischen<br />

Truppen trainiert. Truppen und Waffen wurden nach Nagchukha<br />

und Kham geschafft, um die Grenzen zu sichern. Bei dem<br />

Versuch, Telegraphenlinien einzurichten, machte sich jedoch die<br />

verfehlte Bildungspolitik bemerkbar, denn nur wenige <strong>Tibeter</strong> beherrschten<br />

die englische Sprache und waren in <strong>der</strong> Lage, die Telegraphenlinien<br />

zu bedienen. Die 1944 eröffnete englische Schule<br />

in Lhasa hatte durch den Druck konservativer klerikaler Kreise<br />

nach nur fünf Monaten wie<strong>der</strong> schliessen müssen.<br />

Das kommunistische China verfolgte von Beginn an eine Politik<br />

<strong>der</strong> «Wie<strong>der</strong>vereinigung» Tibets mit dem chinesischen «Mutterland».<br />

Die Unabhängigkeitsbestrebungen Tibets galten als<br />

Zeichen imperialistischen Einflusses. Am 1. Januar 1950 verkündete<br />

Radio Peking in seiner Neujahrsansprache die Absicht Chinas,<br />

Tibet durch den Einmarsch <strong>der</strong> Volksbefreiungsarmee vom<br />

«britischen imperialistischen Joch zu befreien». Die tibetische<br />

105 | Unterrichtseinheit <strong>Exil</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>Tibeter</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Flucht</strong> Unterrichtseinheit <strong>Exil</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>Tibeter</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Flucht</strong> | 106

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