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Exil Schweiz Tibeter auf der Flucht

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nen. In gewisser Weise könnte man sogar sagen, dass Mitgefühl<br />

ultimative Selbstsucht ist, aber in diesem Zusammenhang ist<br />

Selbstsucht nichts Verkehrtes. Sich selbst zu lieben ist wichtig.<br />

Wenn wir uns selbst nicht mögen, wie können wir dann an<strong>der</strong>e<br />

lieben? Manchmal reden Leute über Mitgefühl und erwecken<br />

den Eindruck, als würde Mitgefühl bedeuten, dass man die eigenen<br />

Interessen vollständig ignoriert, als müsste man sie wie ein<br />

grosses Opfer <strong>auf</strong>geben. Das ist nicht <strong>der</strong> Fall. Ganz im Gegenteil<br />

sollte echte Liebe die eigene Person miteinbeziehen.<br />

Es gibt zwei Arten von Selbstgefühl. Das eine zögert nicht,<br />

an<strong>der</strong>en Schaden zuzufügen, ist somit negativ und erzeugt nichts<br />

als Schwierigkeiten. Das an<strong>der</strong>e basiert <strong>auf</strong> Entschlossenheit,<br />

Willensstärke und Selbstvertrauen, und dieses Ich­Gefühl, dieses<br />

Selbstvertrauen, brauchen wir, um die Aufgaben, die sich uns<br />

im Leben stellen, zu bewältigen.<br />

Ähnlich gibt es auch zwei Arten von Begierde. Hass dagegen<br />

ist immer nur negativ und zerstört jegliche Harmonie.<br />

Für gewöhnlich geht dem Hass Ärger voraus. Ärger ist eine<br />

emotionale Reaktion, die allmählich zu Hass wird. Um Hass abzuschwächen,<br />

sollte man sich vor Augen führen, wie negativ Ärger<br />

ist. Viele Menschen denken, dass Ärger ein Teil von uns ist,<br />

den man ausdrücken muss, aber das ist ein Trugschluss. Vielleicht<br />

grollen Sie jemandem o<strong>der</strong> verspüren wegen vergangener<br />

Ereignisse einen Unwillen. Möglicherweise fühlen Sie sich besser,<br />

wenn Sie diesen Ärger ausdrücken, aber im allgemeinen ist<br />

es ratsamer, Ärger zu kontrollieren, denn dann wird er allmählich<br />

abnehmen. Das gelingt meiner Erfahrung nach am besten,<br />

wenn man sich vor Augen führt, dass Ärger etwas Negatives ist<br />

und dass man ohne ihn besser fährt. Diese Einstellung allein<br />

wird bereits einen grossen Unterschied machen.<br />

Immer wenn Ärger entsteht, können Sie sich darin üben, das<br />

Objekt Ihres Ärgers in einem an<strong>der</strong>en Licht zu sehen. Jede Person,<br />

je<strong>der</strong> Umstand, <strong>der</strong> Ärger verursacht, ist im Grunde genommen<br />

relativ. Unter einem bestimmten Gesichtspunkt macht es<br />

Sie wütend, unter einem an<strong>der</strong>en stellt man vielleicht ein paar<br />

positive Aspekte daran fest. Die <strong>Tibeter</strong> haben zum Beispiel ihr<br />

Land verloren und sind Flüchtlinge geworden. So betrachtet<br />

könnten wir Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit empfinden, aber<br />

<strong>der</strong> gleiche Umstand hat neue Möglichkeiten eröffnet, hat Begegnungen<br />

mit an<strong>der</strong>en Menschen und <strong>der</strong>en Religionen ermöglicht<br />

und so weiter. Eine flexiblere Sicht <strong>der</strong> Dinge zu entwickeln hilft<br />

uns, auch eine ausgeglichenere geistige Einstellung zu entwickeln.<br />

Das ist eine Methode.<br />

Nehmen wir ein an<strong>der</strong>es Beispiel. Wenn man krank ist, wird<br />

das Gefühl <strong>der</strong> eigenen Ohnmacht immer schlimmer, je mehr<br />

man über die Krankheit nachdenkt. Hier sollte man sich überlegen,<br />

dass es noch viel schlimmer sein könnte, dass man eine an<strong>der</strong>e,<br />

viel schlimmere Krankheit haben könnte. Sich vor Augen<br />

zu führen, dass alles tatsächlich viel schlimmer sein könnte, ist<br />

sehr tröstlich. Auch bei dieser Methode schult man sich darin,<br />

die eigene Situation zu relativieren. Verglichen mit einer viel<br />

schlimmeren Situation verliert sie sofort an Gewicht.<br />

Ähnlich verhält es sich mit an<strong>der</strong>en <strong>auf</strong>tretenden Schwierigkeiten.<br />

Sie mögen enorm erscheinen, solange man sich in sie verbohrt,<br />

aber wenn man das gleiche Problem mit etwas Abstand<br />

betrachtet, sieht es schon kleiner aus. Mit Hilfe dieser Methoden<br />

wie auch durch das Entwickeln einer umfassen<strong>der</strong>en Sichtweise<br />

kann man jede schwierige Situation entschärfen. Man sieht, es<br />

bedarf einer kontinuierlichen Anstrengung, aber diese hat zur<br />

Folge, dass Ihr Ärger abnimmt, Ihr Mitgefühl gestärkt und Ihr<br />

positives Potential vermehrt wird. Die Kombination bei<strong>der</strong> kann<br />

eine negative Person in eine positive verwandeln. Das sind die<br />

Methoden, die wir anwenden, um die Umwandlung zu bewirken.<br />

Wenn man darüber hinaus Vertrauen in eine Religion hat,<br />

ist es nützlich, diese Eigenschaften zu schulen und zu entwickeln.<br />

Die Evangelien lehren uns beispielsweise, die an<strong>der</strong>e Wange<br />

hinzuhalten. Das ist eine klare Anweisung, Toleranz zu üben.<br />

Für mich liegt die Botschaft <strong>der</strong> Evangelien darin, dass wir unsere<br />

Mitmenschen lieben sollen, weil wir Gott lieben. Ich denke,<br />

das bedeutet, dass unsere Liebe grenzenlos sein sollte. Solche religiösen<br />

Unterweisungen haben eine grosse Wirkung. Sie stärken<br />

und erweitern unsere guten Eigenschaften, und im Buddhismus<br />

53 | Unterrichtseinheit <strong>Exil</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>Tibeter</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Flucht</strong> Unterrichtseinheit <strong>Exil</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>Tibeter</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Flucht</strong> | 54

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