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Exil Schweiz Tibeter auf der Flucht

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fehlt es den Klöstern offensichtlich nicht an Mönchen. Obwohl<br />

eigentlich zuerst eine obligatorische weltliche Schulbildung abgeschlossen<br />

werden müsste, sind viele Kin<strong>der</strong> und Jugendliche unter<br />

ihnen. Traditionell schicken tibetische Grossfamilien jeweils<br />

eines ihrer Kin<strong>der</strong> ins Kloster, das dort buddhistisch unterwiesen<br />

wird und lesen und schreiben lernt.<br />

Mangelndes gegenseitiges Verständnis<br />

In einem Kloster haben Mönche eine gemischte Internatsschule<br />

gegründet, in <strong>der</strong> Jugendliche ohne Schulbildung einerseits tibetisch<br />

und chinesisch lesen und schreiben lernen können und an<strong>der</strong>erseits<br />

das Malen von religiösen Thanka­Bil<strong>der</strong>n erlernen<br />

sollen, die sie später verk<strong>auf</strong>en können. Die lokalen Behörden bezahlen<br />

einen weltlichen Lehrer. Doch während im Kloster an<br />

weiteren Goldverzierungen gearbeitet wird, stehen den Schülern<br />

in <strong>der</strong> Schule vorläufig nur Strohlager als Betten zur Verfügung,<br />

und Teile des Daches sind defekt. Im Winter gibt es keinen Strom<br />

und kein fliessendes Wasser. Einheimische spenden offenbar lieber<br />

für religiöse Tempel als für eine Schule. Und Gel<strong>der</strong> aus dem<br />

Ausland anzunehmen, wird den Mönchen schwergemacht.<br />

Auch das mythologische «Shangri­La» <strong>der</strong> <strong>Tibeter</strong> ist im<br />

Umbruch begriffen und wirkt <strong>der</strong>zeit mehr hart und wild als<br />

edel. Unter den meisten <strong>Tibeter</strong>n scheint die Einsicht unbestritten,<br />

dass Bildung und Zugang zu mo<strong>der</strong>nen Arbeitsmöglichkeiten<br />

Schlüsselelemente einer besseren Zukunft sind. Viele wollen<br />

sich dabei jedoch ihre Kultur erhalten, <strong>der</strong>en Kern sie in den<br />

überlieferten religiösen Traditionen und in ihrer tibetischen<br />

Sprache sehen. Benachteiligungen durch mangelnde Qualifikation<br />

und fehlende Ambitionen sowie durch Repression <strong>der</strong> Ordnungskräfte<br />

und erzwungene Sinisierung schüren gärenden Unmut<br />

und ethnische Spannungen. Dies scheint teilweise den Blick<br />

dafür zu verstellen, dass Chinas Regime tatsächlich einiges an<br />

Fortschritt in <strong>der</strong> Form von besseren Strassen, Strom, Bildung<br />

und rudimentärer medizinischer Versorgung gebracht hat.<br />

Die Proteste vom vergangenen Jahr haben dabei die Fronten<br />

nur noch verhärtet. Vielen indoktrinierten Funktionären scheint<br />

das Verständnis völlig zu fehlen für den Wert <strong>der</strong> tibetischen<br />

Kultur und Religiosität. Im Streben nach einer stärker autonom<br />

gestalteten Mo<strong>der</strong>nisierung ohne Kulturverlust sehen sie nur<br />

Rückständigkeit und die Gefährdung von Chinas territorialer<br />

Einheit. Umgekehrt wollen manche <strong>Tibeter</strong> in allen Hanchinesen<br />

und Muslimen nur Besetzer sehen und verkennen dabei, dass<br />

sie zur Erhaltung einer lebendigen tibetischen Kultur in einer<br />

sich mo<strong>der</strong>nisierenden Gesellschaft zwingend auch das Vertrauen<br />

und die Herzen <strong>der</strong> Hanchinesen gewinnen müssten.<br />

Peter A. Fischer: Chinas <strong>Tibeter</strong> im Mo<strong>der</strong>nisierungs­Stress. Ökonomische Rückständigkeit,<br />

spirituelle Stärke und vielschichtige Benachteiligung. © Neue Zürcher Zeitung, 2009. Mit<br />

freundlicher Genehmigung <strong>der</strong> Neuen Zürcher Zeitung. http://www.nzz.ch.<br />

127 | Unterrichtseinheit <strong>Exil</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>Tibeter</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Flucht</strong> Unterrichtseinheit <strong>Exil</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>Tibeter</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Flucht</strong> | 128

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