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Exil Schweiz Tibeter auf der Flucht

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Naturalien und Geld ein und beanspruchten verschiedene Dienste,<br />

um damit ihren repräsentativen, administrativen und an<strong>der</strong>en<br />

Pflichten – wie die des Schutzes <strong>der</strong> Untergebenen – gerecht<br />

zu werden. Ihre Jurisdiktion erstreckte sich in den rein nomadischen<br />

Gegenden über Familien, in den Ackerbaugebieten jedoch<br />

über Territorien.<br />

Kultureller Hintergrund<br />

Die Abgeschlossenheit Tibets schuf im L<strong>auf</strong>e <strong>der</strong> Zeit eine eigene<br />

tibetisch­buddhistische Hochkultur sowie eine eigene Form des<br />

Buddhismus, namentlich den Mahayana­Buddhismus tibetischer<br />

Prägung, <strong>der</strong> viele Elemente <strong>der</strong> Urreligion Tibets, <strong>der</strong> animistischen<br />

«Bön­Religion» <strong>auf</strong>nahm und in sein Denksystem integrierte.<br />

Derartige «Bön­Elemente» sind insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> tibetischbuddhistischen<br />

Volksreligion anzutreffen. Als Beispiele seien hier<br />

die bekannten «Gebetsfahnen» o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Glaube an die Anwesenheit<br />

mehrerer Seelen im menschlichen Körper erwähnt.<br />

Leiden, Wie<strong>der</strong>geburt, Kausalität, Mitgefühl gegenüber allen<br />

Lebewesen und Weltverneinung sind Grundgedanken <strong>der</strong><br />

buddhistischen Religion, die vom historischen Buddha, <strong>der</strong> von<br />

563 bis 483 v. Chr. in Nordindien gelebt und mit 35 Jahren die<br />

Erleuchtung erlangt hat (vgl. Schuhmann, 1976: 15, 21 u. 48), gestiftet<br />

wurde. Diese wesentlichen Kerngedanken des Buddhismus<br />

bestimmen die Lebenseinstellung <strong>der</strong> <strong>Tibeter</strong> in entscheiden<strong>der</strong><br />

Weise. Die durch diese Gedanken tief geprägte Lebenseinstellung<br />

beeinflusst ihrerseits das Familienleben, aber auch<br />

Erziehungsziele und Erziehungspraxis <strong>der</strong> Eltern. Aus dieser<br />

Überlegung heraus sollen anschliessend als kultureller Hintergrund<br />

diese buddhistischen Kerngedanken und ihre Einflüsse<br />

<strong>auf</strong> das Familienleben und die Sozialisation eingehen<strong>der</strong> behandelt<br />

werden. Die Lehre Buddhas und die Religion, die sich daraus<br />

in Tibet in eigener Prägung entwickelt hat, sind jedoch <strong>der</strong>massen<br />

tiefgründig, komplex und umfassend, dass es unmöglich ist,<br />

im Rahmen dieser Arbeit dieser Religion auch nur annährend<br />

gerecht zu werden.<br />

Grundgedanken des Buddhismus<br />

Nach <strong>der</strong> Auffassung An<strong>der</strong>sons basiert die Lehre Buddhas «<strong>auf</strong><br />

einem Erklärungsmodell geistiger Prozesse – <strong>der</strong> ältesten Psychologie,<br />

von <strong>der</strong> wir in <strong>der</strong> Welt wissen –, das zur Grundlage eines<br />

ausgefeilten Denksystems wurde.» (An<strong>der</strong>son, 1983:19) Der Kernaussage<br />

dieser Lehre zufolge ist die gewöhnliche menschliche Existenz<br />

ein unbefriedigen<strong>der</strong> Zustand, «in dem sich die Men schen<br />

<strong>auf</strong>grund eines fundamentalen Missverständnisses ihres eigenen<br />

Wesens selbst Leid zufügen …» (An<strong>der</strong>son, 1983:19) Um sich von<br />

diesem Leid zu befreien, sollen die Menschen einen an<strong>der</strong>en Daseinszustand,<br />

nämlich die «geistige Erleuchtung» anstreben, die<br />

eine völlig an<strong>der</strong>e Seinsweise darstellt.<br />

Im Unterschied zum älteren Buddhismus, dem Hinayana­<br />

Buddhismus («Hinayana» bedeutet «Kleines Fahrzeug»), <strong>der</strong> etwa<br />

in Thailand o<strong>der</strong> in Sri Lanka praktiziert wird, stellt <strong>der</strong> Mahayana­Buddhismus<br />

(«Mahayana» bedeutet «Grosses Fahrzeug»)<br />

«das Prinzip <strong>der</strong> Buddhaschaft über das Vorbild des historischen<br />

Buddhas» (An<strong>der</strong>son, 1983: 20) und weist zudem ausgeprägtere<br />

soziale Züge <strong>auf</strong>. Die Hauptaussage des Mahayana­Buddhismus,<br />

wie er von den <strong>Tibeter</strong>n nach eigener Interpretation gelebt wird,<br />

ist das allumfassende Mitgefühl allen Wesen gegenüber. Die<br />

Menschen sollen demnach allen Wesen gegenüber Mitgefühl entwickeln<br />

und ferner sich selbst als Teil eines evolutionären Prozesses<br />

verstehen, an dem alle Wesen gleichermassen teilhaben.<br />

Dem Verständnis des Mahayana­Buddhismus zufolge sind Mitgefühl<br />

und Erleuchtung untrennbar verknüpft. (vgl. An<strong>der</strong>son,<br />

1983: 20 u. Schumann; 1976: 131ff)<br />

Die «Vier Edlen Wahrheiten»<br />

Nach buddhistischer Überzeugung ist Leiden sowohl in seiner<br />

physischen als auch psychischen Ausprägung die Grundtatsache<br />

alles menschlichen bzw. geschöpflichen Daseins. Mit an<strong>der</strong>en<br />

Worten alles Leben ist Leiden. Leidenserlebnis und Leidenserfahrung<br />

sind die Antriebskräfte buddhistischen Denkens. Die<br />

Analyse des Leidens und damit des menschlichen Daseins sowie<br />

die Suche nach Erlösung vom Leiden und damit vom menschli­<br />

93 | Unterrichtseinheit <strong>Exil</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>Tibeter</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Flucht</strong> Unterrichtseinheit <strong>Exil</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>Tibeter</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Flucht</strong> | 94

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