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Exil Schweiz Tibeter auf der Flucht

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euch in Europa; die Leute wissen, dass sie <strong>auf</strong>passen müssen, mit<br />

wem sie reden und was sie sagen», kommentiert <strong>der</strong> Übersetzer.<br />

Im Gegensatz zur angrenzenden Autonomen Region Tibet,<br />

die <strong>der</strong>zeit für Journalisten und Auslän<strong>der</strong> ganz geschlossen ist,<br />

gilt die Provinz Qinghai grundsätzlich als offen. Aber lokale Behörden<br />

haben die meisten <strong>der</strong> (zahlreichen) Orte, in denen vor<br />

einem Jahr Demonstrationen von <strong>Tibeter</strong>n für mehr religiöse<br />

und kulturelle Freiheiten und grössere Autonomie stattgefunden<br />

haben, zu für Auslän<strong>der</strong> gesperrtem Gebiet erklärt. Obwohl, wie<br />

sich bald zeigt, die Realitäten vielschichtig sind und auch die<br />

Chinesen manch Positives für sich beanspruchen könnten, soll<br />

Negatives verborgen bleiben und nichts das Bild <strong>der</strong> chinesischen<br />

Propaganda trüben.<br />

Viele Einschränkungen erweisen sich während eines fünftägigen<br />

Besuchs allerdings als von eher theoretischer Natur. Es ist<br />

möglich, praktisch ungehin<strong>der</strong>t über 1300 Kilometer durch die<br />

eindrückliche Landschaft zu reisen. Nirgends stossen wir <strong>auf</strong><br />

Strassensperren, und einzig beim Übernachten gilt es <strong>auf</strong>zupassen,<br />

weil Hotels im Prinzip die Polizei informieren müssten; diese<br />

könnte einschreiten und den Besucher umgehend zurück in<br />

die Hauptstadt spedieren. Weil es nicht in erster Linie <strong>der</strong> Journalist<br />

ist, <strong>der</strong> mit harten Sanktionen rechnen muss, son<strong>der</strong>n dessen<br />

Gesprächspartner und Begleiter, die offenbar in ernsthafte<br />

Schwierigkeiten geraten könnten, wenn einschlägige Behörden<br />

von unbotmässigen Kontakten mit Auslän<strong>der</strong>n erfahren, sollen<br />

hier keine Orte und Namen genannt werden.<br />

Die an den Hängen klebenden Bauerndörfer mit ihren ungepflasterten<br />

Gassen und den Häusern aus Tonerde gleichen sich.<br />

Dass <strong>Tibeter</strong> hier leben, ist an Gebetsfahnen und kleinen Klöstern<br />

zu erkennen, während in den muslimischen Siedlungen keine<br />

Fahnen wehen, dafür Moscheen stehen und die Männer Hüte<br />

tragen. Im Hof des Hauses einer tibetischen Familie spazieren<br />

Hühner und ein Schwein; draussen ist ein kleiner Acker, <strong>auf</strong> dem<br />

Weizen und Gerste angebaut werden. Einige Schafe und Yaks<br />

werden in den Bergen zum Weiden geführt. Teile eines geschlachteten<br />

Schweins hängen im Freien zum Trocknen. Zum Essen<br />

gibt es die traditionelle tibetische Hauptspeise Tsampa, ein mit<br />

den blossen Fingern geknetetes Gemisch aus Yak­Butter, Zucker<br />

und geröstetem Gerstenmehl, sowie Brot. Bei beson<strong>der</strong>en Anlässen<br />

kommt Fleisch <strong>auf</strong> den Tisch; Gemüse, das in dieser Höhe<br />

kaum wächst, gibt es selten.<br />

Bildung und ethnische Spannungen<br />

Die meisten Bauern tragen farbige tibetische Klei<strong>der</strong>, teilweise<br />

ergänzt durch mo<strong>der</strong>ne Mützen und Jacken. Von Wind und Wetter<br />

gezeichnete Gesichtszüge machen es schwer, das Alter <strong>der</strong><br />

Leute zu schätzen. Die Klei<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> sind sehr schmutzig.<br />

Ein Knabe leidet seit längerem unter akutem Durchfall. Medikamente<br />

nutzt die Familie aber nicht – ob weil ihr das Geld dazu<br />

fehlt o<strong>der</strong> weil sie den Künsten <strong>der</strong> Ärzte misstraut, bleibt unklar.<br />

In <strong>der</strong> Stube des geräumigen Hofhauses steht ein kleiner Altar<br />

mit einem Bild des Dalai Lama. Eigentlich haben die Chinesen<br />

solches streng verboten, doch <strong>der</strong> Dorfvorsteher sei ein <strong>Tibeter</strong><br />

und deswegen störe sich niemand daran, dass sie alle ihr<br />

geistiges Oberhaupt verehrten, heisst es. Die Grossmutter kann<br />

we<strong>der</strong> lesen noch schreiben. Auch ihr Sohn, <strong>der</strong> Bauer, und dessen<br />

Frau sind Analphabeten. Ein zweiter Sohn ist einst illegal<br />

über die Grenze nach Indien geflüchtet und hat dort in einer<br />

exiltibetischen Schule Tibetisch und Englisch gelernt. Er kehrte<br />

illegal wie<strong>der</strong> ins chinesische Tibet zurück, weil er seiner Heimat<br />

helfen wollte. Über die Probleme, die er wegen seines Ausbruchs<br />

mit den chinesischen Behörden hatte, will er nicht sprechen. Er<br />

versucht nun mit Hilfe von Gel<strong>der</strong>n von europäischen Buddhisten<br />

lokale Schulen zu renovieren und zu unterstützen. Auch hat<br />

er den Bau einer Wasserfassung am Berghang organisiert, welche<br />

die Häuser mit fliessendem Wasser versorgt. Früher mussten<br />

die Dorfbewohner das Wasser zu Fuss fast einen Kilometer vom<br />

Bach holen. Auch die chinesische Regierung hat dem Dorf Fortschritt<br />

gebracht: Seit einigen Jahren führt eine geteerte Strasse<br />

in den Ort, und erst seit fünf Jahren gibt es Strom. Damit ist das<br />

Leben etwas einfacher geworden, aber es ist immer noch hart.<br />

123 | Unterrichtseinheit <strong>Exil</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>Tibeter</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Flucht</strong> Unterrichtseinheit <strong>Exil</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>Tibeter</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Flucht</strong> | 124

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