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Exil Schweiz Tibeter auf der Flucht

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den <strong>Tibeter</strong>n hochgeachteten sechsten Dalai Lama, Tsangyang<br />

Gyatso (1683–1746), ab und ernannte einen Mönch seiner Wahl<br />

zum Dalai Lama. Sein Vorgehen entfachte grossen Zorn unter<br />

den <strong>Tibeter</strong>n, und seine Absicht scheiterte infolge dieser verfehlten<br />

Einmischung in religiöse Angelegenheiten Tibets. Im Jahre<br />

1717 überfielen die Dzungar­Mongolen Tibet, töteten Lhabzang<br />

Khan und setzten den von ihm ernannten Dalai Lama ab. Sie<br />

konnten sich jedoch nicht in den Besitz des 1708 in Lithang (Osttibet)<br />

geborenen Kindes bringen, das von den <strong>Tibeter</strong>n als ihr<br />

neuer Dalai Lama angesehen wurde. Der Mandschu­Kaiser<br />

K’ang­Hsi kam ihnen zuvor und bemächtigte sich selber des Kindes<br />

durch einen Glücksfall. Als im Jahre 1720 <strong>der</strong> siebte Dalai<br />

Lama, Kesang Gyatso (1708–1757), von Kumbum (Nordosttibet)<br />

aus die Reise nach Lhasa antrat, sandte <strong>der</strong> Mandschu­Kaiser zu<br />

seinem Schutz 4000 Soldaten mit ihm nach Lhasa. Dadurch gewann<br />

er das Wohlwollen <strong>der</strong> tibetischen Bevölkerung. Unterdessen<br />

wurden die Dzungar­Mongolen von einer tibetischen Armee<br />

unter <strong>der</strong> Führung von Miwang Pholha Sonam Tobgyal (1689–<br />

1747) und Khangchennas aus Tibet vertrieben. Auch die Nachricht<br />

von den Mandschu­Soldaten, die den siebten Dalai Lama<br />

nach Lhasa begleiteten, war mit ein Grund für den Abzug <strong>der</strong><br />

Dzungar­Mongolen aus Tibet.<br />

Dank den Wirren und internen Zwistigkeiten jener Zeit in<br />

Tibet und durch die Entsendung von Soldaten nach Lhasa als<br />

Begleitschutz des siebten Dalai Lama gelang es dem Mandschu­<br />

Kaiser K’ang­Hsi, in Tibet Fuss zu fassen. Um den Einfluss <strong>der</strong><br />

Mandschus in Tibet zu erhalten, ernannte sein Sohn, <strong>der</strong> Mandschu­Kaiser<br />

Yung­Cheng, im Jahre 1728 zum erstenmal zwei zivile<br />

Repräsentanten des Kaisers – bekannt als Ambane –, mit<br />

einer Garnison unter einem Militärkommandanten in Lhasa.<br />

Die Aufgabe <strong>der</strong> beiden Ambane bestand zunächst nur darin, als<br />

neutrale Beobachter die tibetische Regierung zu beraten.<br />

Richardson beschreibt ihre Rolle wie folgt: «In <strong>der</strong> Praxis waren<br />

sie kaum mehr als Beobachter mit <strong>der</strong> Aufgabe, über die Geschehnisse<br />

in Lhasa nach Peking zu berichten. Es war nicht ihre<br />

Aufgabe, aktiv Anteil an <strong>der</strong> Regierung Tibets zu nehmen.»<br />

Mit <strong>der</strong> Zeit begannen die Mandschus allerdings ihren Einfluss<br />

in <strong>der</strong> tibetischen Regierung auszudehnen. Eine Stärkung<br />

ihrer Position in Tibet erfolgte nach zwei Einfällen <strong>der</strong> nepalesischen<br />

Gurkhas in Tibet (1788 und 1792), die erst mit Hilfe <strong>der</strong><br />

kaiserlichen Truppen besiegt und aus Tibet vertrieben werden<br />

konnten. Die Mandschus, dies muss an dieser Stelle betont werden,<br />

mischten sich nur in die Aussenpolitik Tibets ein. In bezug<br />

<strong>auf</strong> die internen Angelegenheiten genoss die tibetische Regierung<br />

volle Handlungsfreiheit. Miwang Pholha, <strong>der</strong> eigentliche Herrscher<br />

über Tibet bis zu seinem Tod im Jahre 1747, verstand es<br />

vortrefflich, die Handlungsfreiheit <strong>der</strong> tibetischen Regierung<br />

auszubauen. «Durch seine Fähigkeit und seinen Takt in <strong>der</strong> Behandlung<br />

<strong>der</strong> Mandschus schränkte er <strong>der</strong>en Oberherrschaft <strong>auf</strong><br />

eine blosse Formalität ein.» Die Verwaltungsautorität <strong>der</strong> tibetischen<br />

Regierung reichte von Westtibet bis zum oberen Yangtse­<br />

Fluss.<br />

Tibet wurde damals zu einem Protektorat <strong>der</strong> Mandschu­<br />

Kaiser unter tibetischer Verwaltung. Das Protektorat wurde<br />

ohne tibetische Opposition errichtet. Es gab we<strong>der</strong> einen Vertrag<br />

noch Notenwechsel. Richardson weist dar<strong>auf</strong> hin, dass die Oberherrschaft<br />

<strong>der</strong> Mandschu­Kaiser über Tibet nicht durch die Eroberung<br />

Tibets zustande kam, «son<strong>der</strong>n durch eine geschickte<br />

Anpassungspolitik, und dass es auch diesmal ein nichtchinesischer<br />

Kaiser Chinas war, <strong>der</strong> die Verbindung mit Tibet hergestellt<br />

hatte».<br />

Angesichts <strong>der</strong> zunehmend schwächeren Position Chinas als<br />

Halbkolonie nach dem ersten Opiumkrieg (1840/1842) vermochten<br />

die Mandschu­Kaiser in <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

ihrer Protektoratspflicht gegenüber Tibet kaum mehr<br />

nachzukommen. Es ist unbestritten, dass ab Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

bis Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts die wirkliche Macht in<br />

Tibet von <strong>der</strong> tibetischen Regierung unter <strong>der</strong> Führung des Dalai<br />

Lama ausgeübt wurde.<br />

73 | Unterrichtseinheit <strong>Exil</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>Tibeter</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Flucht</strong> Unterrichtseinheit <strong>Exil</strong> <strong>Schweiz</strong>, <strong>Tibeter</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong> <strong>Flucht</strong> | 74

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